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Trotz Aufenthaltstitel: Gewaltsame Abschiebung in Tolkewitz

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Nur wenige Wochen nach der gewaltsamen Abschiebung einer Familie aus dem Dresdner Hechtviertel, kam es in der Nacht zum Donnerstag in Tolkewitz erneut zu einer brutalen Abschiebung, bei der mehrere Menschen verletzt wurden. Als die Polizei die Mutter und ihre insgesamt acht Kinder im Alter zwischen 2 und 16 Jahren gegen Mitternacht gewaltsam aus ihrer Wohnung holte, wurden außerhalb des Gebäudes mehrere Menschen von der Polizei angegriffen, die mit Sitzblockaden die Abschiebung verhindern wollten. Während die Dresdner Polizei im Nachgang lediglich von einem „Abdrängen“ und zwei Personalienfeststellungen wegen vermeintlicher Widerstandshandlungen sprach, musste sich eine Person mit einem Schädel-Hirn-Trauma zur ärztlichen Behandlung in ein Krankenhaus begeben.

Nach Angaben von Augenzeuginnen und Augenzeugen hätte sich im Verlauf der Abschiebung auch auf Nachfrage kein Einsatzleiter zu erkennen gegeben. Medienvertreter berichteten zudem über „äußerst aggressive“ Beamtinnen und Beamte, die immer wieder versucht hätten, sie in ihrer Arbeit zu behindern. Während der 16jährige Sohn der Familie von der Polizei fixiert in einen bereitstehenden Kleinbus gebracht wurde, stand die 37 Jahre alte Mutter der acht Kinder sichtlich unter Schock. Im Verlauf des Abends war es aus der Nachbarschaft parallel dazu nicht nur zu Beschimpfungen, sondern auch zu Drohungen gegen die vor Ort versammelten Unterstützerinnen und Unterstützer der Familie gekommen.

Wie der Sächsische Flüchtlingsrat im Nachgang berichtete, war der Familie zuvor von der Härtefallkommission unter Leitung des Sächsischen Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth (CDU) ein Aufenthalt zugesprochen worden. Dieser war jedoch im Juni vom Sächsischen Staatsministerium des Inneren (SMI) kollektiv widerrufen worden, da der Vater der Familie in seiner Abwesenheit in Montenegro zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Das Innenministerium begründete seinen Widerruf damit, dass der Vater der „Stammberechtigte“ der Familie sei und sich der Aufenthalt aller Familienmitglieder von seinem Status ableite. Der Flüchtlingsrat hatte daraufhin dem Ministerium eine Kollektivbestrafung vorgeworfen und zugleich eine „Aufhebung der Wiedereinreisesperre“ gefordert.

Nachdem der Asylantrag für die im Januar 2015 eingereiste Familie im September 2015 abgelehnt worden war, hatte ein Vertreter für die Liga der Freien Wohlfahrtspflege den Fall im vergangenen Jahr in der Härtefallkommission eingereicht. Der Vorsitzende der Diakonie Sachsen, Oberkirchenrat Christian Schönfeld, bezeichnete das Vorgehen des Ministeriums, den Aufenthalt zu widerrufen, als „juristisch fragwürdig“. Ungeachtet der Kritik war die Familie nach Angaben der Sächsischen Zeitung bereits am Donnerstagnachmittag von Frankfurt am Main in den Kosovo abgeschoben worden. Am Folgetag versammelten sich noch einmal etwa 80 Menschen zu einer knapp einstündigen Kundgebung vor dem Ministeriumsgebäude, um damit gegen die gewaltsame Abschiebung zu protestieren.

Weiterer Artikel: Brutale Abschiebung in Dresden – Tolkewitz


Erneut Prozess wegen Anti-Naziprotest in Dresden

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Aus aktuellem Anlass, der Anklageerhebung gegen insgesamt sieben Antifaschistinnen und Antifaschisten, hat sich in Dresden die Soligruppe 01november gegründet. Das Ziel des Zusammenschlusses ist die Unterstützung der Angeklagten, die fünf Jahre nach einem tätlichen Angriff von Nazis in der Johannstadt belangt werden sollen. Doch von vorn. Am 1. November 2012 machte die so genannte Brandstiftertour der NPD Halt in Dresden. Vor symbolträchtigen Orten wie Asylunterkünften und der Moschee in Cotta wurde mit angemeldeten Kundgebungen versucht, gezielt eine Drohkulisse gegenüber geflüchteten und muslimischen Menschen aufzubauen. Hatte die NPD in den Jahren zuvor noch vom Sächsischen Landtag aus massiv gehetzt, ging die mittlerweile nahezu in der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit verschwundene Partei mit Kundgebungen im direkten Lebensumfeld der von Rassismus betroffenen Menschen einen Schritt weiter. Die Sächsische Polizei half ihnen dabei.

Nachdem bei einem Angriff von Nazis auf eine Gruppe von etwa 30 Antifaschistinnen und Antifaschisten, die mit einer Sitzblockade in der Nähe des geplanten Kundgebungsortes den Fahrzeugkonvoi der NPD aufhalten wollten, mehrere Personen teils erheblich verletzt worden waren, gingen die Beamtinnen und Beamten im Anschluss daran massiv gegen die Angegriffenen vor und stellte ihre Personalien fest, während zeitgleich die Nazis ihre mitgebrachten Schlagstöcke und Latten von der Polizei unbehelligt entsorgen konnten. Der auf elf Verhandlungstage angesetzte Prozess richtet sich nun gegen sieben Personen, die damals in der Nähe des Sachsenplatzes von der Polizei aufgegriffen wurden. Ihnen wird von der Dresdner Staatsanwaltschaft schwere Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Im Ergebnis wurde fünf Jahre lang fast ausschließlich gegen einige der damals kontrollierten Linken ermittelt.

Die NPD-Kampagne im Jahre 2012 fiel in eine Zeit, die den Übergang markiert zwischen rechten Massenaufläufen zum Gedenken an die Bombardierungen im Februar 1945 einerseits und den Jahren rechten Terrors in der Stadt und dem Umland spätestens seit Ende 2014. Während die NPD nach den Landtagswahlen im August 2014 auf Grund des Wahlerfolges der Alternative für Deutschland (AfD) denkbar knapp am erneuten Wiedereinzug scheiterte, fanden sich alte und junge Nazis in der Region zusammen, um massiv gegen die Unterbringung Asylsuchender in Dresden und dessen Umgebung aktiv zu werden. Dabei schreckten sie auch nicht vor Mordversuchen, Brandstiftungen und dem Einsatz selbst gebastelter Sprengsätze zurück. Die Soligruppe 01november wirft der Sächsischen Polizei vor, durch langjähriges aktives Unterbinden linken Gegenprotests, diesen zeitlich nachfolgenden Entwicklungen Vorschub geleistet zu haben.

Um auf diese Sachlage aufmerksam zu machen, findet am 1. November in Dresden vor dem Landgericht um 16 Uhr eine Kundgebung statt, die zur Solidarität mit den sieben Betroffenen aufruft.

Geplantes Bettelverbot stößt auf Widerstand

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Mit einer am Dienstag gestarteten Petition hat die erst vor wenigen Monaten gegründete „Bettellobby“ auf ein in Dresden geplantes Bettelverbot reagiert. Mit der von zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstützten Aktion soll eine vom Dresdner Stadtrat geplante Neufassung der Dresdner Polizeiverordnung verhindert werden, mit der in Zukunft das Betteln von Kindern mit bis zu 1.000 Euro sanktioniert werden soll. In den zurückliegenden Monaten hatten vor allem lokale Medien über bettelnde Kinder berichtet und dabei einen Bezug zu Menschen aus Osteuropa hergestellt. Nach Angaben des Dresdner Jugendamtes handelt es sich dabei jedoch lediglich um eine Handvoll Familien.

Während unter Artikeln zu dem Thema immer wieder mit Menschenverachtung, Ressentiments und offenem Rassismus auf bettelnde Menschen reagiert wird, sieht die Bettellobby die Probleme vor allem in der fehlenden Unterbringung: „Ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Meldeadresse keine Kita und Schule. Manche verdienen ihr Geld erstmal legal auf Baustellen oder in der Gastronomie. Zum Teil werden Einzelne um ihre Löhne betrogen. Manchen bleibt nichts anderes übrig, als auf Grund ihrer Armut und Perspektivlosigkeit zu Betteln. Ohne sichere Bleibe bleibt ihnen nur, die Kinder mit zum Betteln zu nehmen.“

Nach Ansicht des Netzwerkes ist die neue Polizeiverordnung ein weiterer Beleg einer mangelnden Bereitschaft, sich mit den Folgen sozialer Ungleichheit auseinanderzusetzen. Anstatt angesichts eines stetig wachsenden Armutsrisikos eine Debatte über Chancengleichheit und gesellschaftliche Zusammenhänge zu führen, soll damit Armut aus dem Stadtbild entfernt werden. Nach Auffassung der Bettellobby bedarf es jedoch vielmehr einer humanistischen und sozialen Stadt, in der es vor allem darum gehen sollte, Armut zu bekämpfen und nicht die Armen.

Ermittlungen nach Brand in Meißner Asylunterkunft

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Nach dem Brand im Erdgeschoss einer Asylunterkunft in Meißen hat das erst kürzlich geschaffene Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) Ermittlungen wegen einer möglichen Brandstiftung aufgenommen. Nach Polizeiangaben hatten zwei Bewohner der Unterkunft in der Nacht auf Donnerstag nachdem sie den Brand bemerkt hatten, diesen anschließend unter Gefährdung ihrer eigenen Gesundheit gelöscht. Es entstand Sachschaden in noch unbekannter Höhe, verletzt wurde niemand. Wer Hinweise zum Tathergang geben kann wird gebeten, sich unter der 0351-4832233 bei der Dresdner Polizei zu melden.

Erinnerung an die Morde des NSU in Löbtau

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Im Gedenken an den 6. Jahrestag der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) haben Aktivistinnen und Aktivisten im Dresdner Stadteil Löbtau eine Plakataktion durchgeführt. Dazu verklebten sie in der Nacht vom zweiten auf den dritten November mehrere hundert Bilder mit geschredderten und wieder zusammengeklebten Konterfeien von neun Opfern der rassistischen Mordserie, um damit im öffentlichen Raum auf das Schicksal der ermordeten Menschen aufmerksam zu machen: „Die Perspektive von Betroffenen rechter Gewalt ist auch nach dem Auffliegen des NSU in der öffentlichen Debatte nicht ausreichend präsent. Die Plakate machen die Namen und Gesichter der Opfer zumindest symbolisch sichtbar“, so ein Sprecher der Antifaschistischen Initiative Löbtau (AIL).

Der NSU hatte von 2000 bis 2006 insgesamt neun migrantische Personen und die Polizistin Michèle Kiesewetter hingerichtet. Die Morde ereigneten sich vor allem auf dem Gebiet der alten Bundesländer, während die Gruppe selbst unerkannt und unbehelligt über fast ein Jahrzent im sächsischen Zwickau leben konnte. Das Kerntrio war erst am 4. November 2011 nach einem gescheiterten Banküberfall in Eisenach aufgeflogen, infolge dessen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Suizid begingen und ihr Fluchtfahrzeug in Brand setzten.

Bis heute gibt es jedoch erhebliche Zweifel am Hergang der Geschehnisse im November 2011, der juristischen Aufarbeitung der Terrorserie des NSU und den Verstrickungen der Ermittlungsbehörden: „In Sachsen wurden aus den zahlreichen Skandalen rund um den sogenannten NSU keine Lehren gezogen und ein öffentliches Gedenken an die Opfer des NSU gibt es nicht. Im Gegenteil: Der Burschenschaftler Gordian Meyer-Plath ist heute Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen. Er trägt als V-Mann-Führer der 1990er Jahre mit die Verantwortung, dass das Kerntrio um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht gefasst wurde und untertauchen konnte. Gezogene Konsequenzen aus den zahlreichen Skandalen des Verfassungsschutzes sehen anders aus.“

Neben der zur Zeit eher schleppend laufenden juristischen und parlamentarischen Aufarbeitung der Mordserie kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Aktionen, die die Perspektive der Opfer und ihrer Angehörigen stark machen wollen. Dieses Jahr fand in Köln das NSU-Tribunal statt. Im Rahmen des Tribunals entstand die Anklageschrift „Wir klagen an!“, in der ausführlich der Unterstützungskreis, die Mitwissenden, Untätigen und die Strukturen, die die terroristischen Taten ermöglicht haben, beleuchtet.

Gerade nach den Ergebnissen der Bundestagswahl 2017, bei der die Alternative für Deutschland (AfD) mit 12,6 Prozent in den Bundestag einzog und in Sachsen sogar stärkste Kraft werden konnte, ist es besonders wichtig, die Erinnerung an die Opfer rechter Gewalt aufrechtzuerhalten. Erst kürzlich hatte die AfD im Thüringer Landtag gemeinsam mit der CDU gegen die Errichtung einer Gedenkstätte für die Opfer des NSU gestimmt. „Wir hoffen“, so die AIL abschließend, „mit unserer Aktion Menschen zu motivieren, es uns gleich zu tun. Antifaschistisches Gedenken muss wieder Praxis werden. Ob Jorge Gomondai, Marwa el Sherbini oder Oury Jallou – rassistische Gewalt hat viele Gesichter, es ist an uns, sie sichtbar zu machen.“

Ein Diktator auf Besuch in Sachsen

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Wenige Wochen vor dem freiwilligen Ende seiner Regentschaft hat Sachsens amtierender Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán (Fidesz) für einen „Privatbesuch“ ins Schloss Eckberg geladen, um sich dabei gemeinsam über Kultur, Europa und wirtschaftliche Themen auszutauschen. Neben Tillich waren auch Landtagspräsident Matthias Rößler, Sachsens CDU-Fraktionschef Frank Kupfer und der Vize-Fraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz, zur privaten Audienz auf Wunsch des ungarischen Ministerpräsidenten eingeladen.

Während die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) den Termin wenig überraschend schon im Vorfeld begrüßt hatte, bezeichnete Rico Gebhardt, der Fraktionsvorsitzende der Linken im Sächsischen Landtag, das inoffizielle Treffen als „Geschmacklosigkeit erster Güte“ und forderte Sachsens Ministerpräsidenten ebenso wie Jusos-Landeschef Stefan Engel auf, sich von Orbáns Politik zu distanzieren. Nach Auffassung von Engel sei das Treffen „ein Schlag ins Gesicht für alle engagierten Menschenrechtsaktivisten in Ungarn“.

Dem einstigen Sozialisten Orbán wird seit Jahren immer wieder vorgeworfen, Menschenrechte systematisch einzuschränken und Medien unter staatliche Kontrolle bringen zu wollen. Erst kürzlich hatte der Vizepräsident der Europäischen Volkspartei (EVP) im Rahmen der Gedenkveranstaltungen anlässlich der Niederschlagung des Volksaufstandes von 1956 Mitteleuropa zur „letzten migrantenfreien Zone“ erklärt. Bereits zuvor hatte er das gewalttätige Vorgehen gegen den Inhaber einer Pension, der im südungarischen Dorf Őcsény geflüchteten Kindern einen Urlaub ermöglichen wollte, begrüßt.

Rassistische Diskriminierung auf dem sächsischen Wohnungsmarkt

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Weit mehr als die Hälfte aller Migrantinnen und Migranten auf der Suche nach einer Wohnung werden in Sachsen diskriminiert. Das geht aus den Ergebnissen einer Untersuchung des Antidiskriminierungsbüros (ADB) hervor, welche im vergangenen Monat vorgestellt worden waren. Demnach habe in 60% der untersuchten Fälle eine „klare Diskriminierung“ vorgelegen, 22,5% der Ergebnisse seien nicht auswertbar gewesen. In lediglich 17,5% der Fälle habe es keine rassistische Diskriminierung gegeben. Für die Untersuchung hatten im November 2016 drei Testpersonen insgesamt 50 Wohnungsangebote kontaktiert, 40 dieser Anfragen konnten anschließend ausgewertet werden. Neben der Erhebung hatte das ADB in der Beratungsarbeit allein im zweiten Halbjahr 2016 mehr als 50 Fälle von Diskriminierung auf dem sächsischen Wohnungsmarkt dokumentiert.
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Der Pressesprecher des Sächsischen Flüchtlingsrats, Mark Gärtner, sprach angesichts der Ergebnisse von einer strukturellen Diskriminierung gerade geflüchteter Menschen: „Aus einer Gemeinschaftsunterkunft oder Erstaufnahmeeinrichtung heraus ist es schwierig, eine Wohnung zu finden. Allein die nahezu 12.200 Menschen mit Flüchtlingsanerkennung, die nach wie vor nicht in ihrer eigenen Wohnung leben, belegen das.“ Trotz eines gesetzlich geregelten Diskriminierungsverbotes nach §19 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AAG) seien die Begründungen für eine Ablehnung ähnlich gewesen: „Die Argumentationsstrategien der Wohnungsanbieter_innen folgen dabei vergleichbaren Mustern: von der direkten Ablehnung von Geflüchteten als Mieter_innen, über rassistische Zuschreibungen bis hin zu Alibiaussagen wie z.B., dass die Wohnung schon vermietet sei.“

Um diese verdeckte Form der Diskriminierung sichtbar zu machen, hatten mindestens zwei Menschen versucht, eine Wohnung zu mieten: „Im vorliegende Testing entwickelte das ADB eigens zwei verschiedene Testidentitäten und eine Vergleichsidentität: eine geflüchtete Person mit dreijährigem Aufenthaltsstatus, eine hauptamtlich tätige Flüchtlingssozialarbeiterin, die auf der Wohnungssuche für Klient_innen war, und eine mehrheitsdeutsche Person als Vergleichsidentität.“ Im Ergebnis erhielt die „mehrheitsdeutsche“ Person in all jenen Fällen, in denen die geflüchtete Person bzw. die Flüchtlingssozialarbeiterin zurückgewiesen worden war, einen Termin zur Wohnungsbesichtigung für die gleichen angefragten Wohnungen.

„Rassistische Diskriminierung“, so eine Beraterin des ADB abschließend, „ist kein individuelles Problem und Betroffene müssen Diskriminierung nicht hinnehmen. Ihnen stehen Rechte zu und sie können sich wehren. Gerne unterstützen wir Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Das Wohnen in der eigenen Wohnung ist ein wichtiger Bestandteil selbstbestimmten Lebens und ein Menschenrecht.“ Die Chancen für eine Entschädigung stehen nicht schlecht: In Fällen ungerechtfertigter Ungleichbehandlung hat der Gesetzgeber für die unmittelbar Betroffenen innerhalb einer Frist von zwei Monaten Beseitigungs-, Unterlassungs- und materielle/immaterielle Schadensersatzansprüche vorgesehen.

Ergebnisse des Testings als *.pdf: Rassistische Diskriminierung auf dem sächsischen Wohnungsmarkt – Situationsbeschreibung & Handlungsempfehlungen

Sächsische Zustände?

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In Schildau sollten RSL-Fans und Spieler erst „Nazis raus aus den Stadien“-T-Shirts ausziehen, um nicht zu provozieren – dann kam es zu mehreren Neonazi-Aktionen im Stadion, schließlich griffen Neonazis die abreisenden Sterne an und beschädigten mehrere Fahrzeuge.

Quelle: Roter Stern Leipzig (16.10.2017)


Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie

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Vom 12. November bis zum 9. Dezember finden in Dresden wieder die Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie statt. Dazu hat das Referat für Gleichstellungspolitik des StuRa der TU Dresden nicht nur auf dem Unicampus zahlreiche spannende und informative Vorträge sowie Workshops organisiert. Die Veranstaltungen sind auch für Nicht-Studierende zugänglich, beachtet bitte, dass für den Besuch einiger Workshops im Vorfeld Anmeldungen erforderlich sind.

Den Flyer mit dem Gesamtprogramm könnt ihr euch an dieser Stelle als *.pdf herunterladen.

Gedenken an den 9. November in Dresden

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Welche politische Rolle die Dresdner Polizei in der zurückliegenden Zeit gespielt hat, ist hinlänglich bekannt. Ein Sahnestück polizeilicher Einflussnahme zeigt ein neuerlicher Vorfall bei den lokalen Gedenkveranstaltungen in Erinnerung an den 79. Jahrestag der Pogrome im November 1938, als hunderte Menschen jüdischen Glaubens starben und zehntausende in Konzentrationslager deportiert wurden. Anders als bei der Alternative für Deutschland (AfD), bei der sich die Polizei in der Vergangenheit sogar schützend vor aufgestellte Kerzen gestellt hatte, bewiesen zwei Dresdner Beamte erneut ihr Fingerspitzengefühl, als sie eine Gruppe von Menschen aufforderten, mehrere der an Stolpersteinen aufgestellten Gedenklichter zu löschen, da sie eine Gefahrenquelle darstellten.

Nichtdestotrotz konnten im gesamten Stadtgebiet eine Reihe von Erinnerungsveranstaltungen und Mahnwachen auch ohne Probleme stattfinden. Während sich in der Äußeren Neustadt mehr als 100 Menschen an einem abendlichen Gedenkrundgang beteiligten, hatte eine Vielzahl von Menschen den Tag zum Anlass genommen, um einen Großteil der Stolpersteine zu putzen und zugleich an die dort einst lebenden Jüdinnen und Juden zu erinnern. Bereits am Nachmittag hatten sich an der Gedenkstele für die 1938 von den Nazis an gleicher Stelle zerstörte Semper-Synagoge etwa 100 Menschen versammelt und Kränze niedergelegt. Zuvor hatte Nora Goldenbogen, die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinde, im Beisein von Dresdens Erstem Bürgermeister Detlef Sittel (CDU), daran appelliert, die Ereignisse nicht zu vergessen.

Wie schon im vergangenen Jahr zeigten in den Abendstunden erneut Personen aus dem Umfeld von PEGIDA mit einem Autokorso ein ganz eigenes Verständnis über den Umgang mit dem 9. November. Mit Deutschlandfahnen fuhren sie hupend und von der Polizei geduldet durch die Dresdner Innenstadt. Erneut kam es dabei kurzfristig zu einer spontanen Blockade von einem dutzend Menschen, die sich dem Fahrzeugkonvoi auf der Wilsdruffer Straße entgegenstellten. Wie im Fall der Gedenklichter kurze Zeit später zeigte sich die Dresdner Polizei auch hierbei wenig einsichtig und ging teilweise rabiat gegen die Blockiererinnen und Blockierer vor. Es verwundert dennoch kaum, dass beide Vorfälle abgesehen von einem „Gespräch“ keine Konsequenzen für die beteiligten Beamten nach sich zogen.

Weiterer Artikel: Das Gedenken am 09. November in Dresden

Veranstaltungsreihe im AZ Conni: Rechter Terror[ismus?]

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Anlässlich der in diesem Jahr begonnenen Prozesse gegen die „Gruppe Freital“ und die „Freie Kameradschaft Dresden“ finden ab morgen insgesamt drei lohnenswerte Veranstaltungen des Antifa Recherche Team (ART) Dresden im AZ Conni statt, die sich mit den Hintergründen und Gerichtprozessen auseinandersetzen wollen. Nach einer ersten Veranstaltung, bei der von der Opferberatung des RAA Sachsen ein Einblick in den aktuellen Stand der juristischen Aufarbeitung gegeben wird, versucht sich Matthias Quent vom IDZ in Jena dem Begriff und dem Konzept des „Rechten Terrors“ aus linker Perspektive zu nähern. In der letzten Veranstaltung diskutieren die Nebenklage-Vertreterin Kristin Pietrzyk und Ulli Jentsch vom apabiz bzw. NSU-Watch u.a. über die Fragen, welche Rolle die Ideologie und Ziele der Täter spielt und was dies für Betroffenen bedeutet.

Studieren wird künftig teurer

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Für Kritik sorgte eine Mitteilung des Dresdner Studentenwerks, welches zu Monatsbeginn eine Erhöhung der Preise und Beiträge angekündigt hatte. Der Geschäftsführer des Studentenwerks, Martin Richter, begründete die Notwendigkeit der Maßnahmen mit geringeren Einnahmen bei den Semesterbeiträgen auf Grund der gesunkenen Zahl von Studierenden, gestiegenen Personal -und Warenkosten sowie erhöhten Infrastrukturvorhaltungskosten. Obwohl Studierendenvertreter dem Wirtschaftsplan am 26. Oktober unter Protest zugestimmt hatten, forderten sie im Nachgang die Landesregierung dazu auf, die seit 2015 nicht mehr angepassten Landeszuschüsse zu erhöhen.

„Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass erneut die Studierenden zur Kasse gebeten werden, um die fehlenden infrastrukturerhaltenden Maßnahmen des Landes auszugleichen. Es ist Aufgabe des Landes, die eigenen Liegenschaften nicht nur zu errichten, sondern auch deren Erhaltung zu finanzieren“, so Matthias Lüth, der Verwaltungsratsvorsitzende des Studentenwerks. Neben der Hochschulgastronomie, bei der die Preise im kommenden Jahr um bis zu 4% angehoben werden, sind von den unlängst beschlossenen Erhöhungen auch Studierende betroffen, die in Studentenwohnheimen leben und wegen „steigender Instandhaltungskosten“ ab 1. Januar 2018 durchschnittlich 6,50 Euro höhere Mieten zahlen müssen.

Während im letzten Jahr Beitrags- und Preiserhöhungen durch den Abbau von Rücklagen noch verhindert werden konnten, erhöhen sich ab 1. Januar nicht nur die Preise in den Mensen und Cafeterien, vielmehr steigen ab dem 1. April 2018 auch die Semesterbeiträge für die rund 47.000 Studierenden von insgesamt sieben Hochschulen auf mehr als 270 Euro. Anders als das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK), welches gegenüber der Dresdner Neuesten Nachrichten die Vorwürfe angesichts der 2016 erhöhten BAföG-Beiträge als „schwer nachvollziehbar“ bezeichnet hatte, verwies Claudia Meißner, die Geschäftsführerin für Soziales im StuRa, auf die seit 2012 stetig sinkende Zahl von BAföG-Berechtigten „aufgrund fehlender Anpassungen der Freibeträge bei den Eltern“.

Toleranz sieht anders aus

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Im Beirat des „Bündnisses für Demokratie und Toleranz, gegen Extremismus und Gewalt“ sitzt künftig Jens Maier von der AfD, ein ultrarechter Richter.

Quelle: taz (09.11.2017)

42. bis 49. Verhandlungstag im Prozess gegen die „Gruppe Freital“

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Dokumentation des Prozessberichtes der Opferberatung des RAA Sachsen

Zu Beginn des 42. Verhandlungstages erklärt das Gericht, dass die Zeugen Robert S. und Florian N. abgeladen wurden, da sie über ihre Verteidiger aus dem Verfahren gegen die Freie Kameradschaft Dresden erklärt hätten, dass sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Die ebenfalls geladene Zeugin Carrie L. habe dem Gericht ein ärztliches Attest vorgelegt und steht damit ebenfalls nicht zur Verfügung.

Bevor die Vernehmung von KHK Marcel W. beginnt, stellt die Verteidigung von Timo S. noch einen Antrag auf Beiziehung von Akten. Da diese Akten für die Vernehmung von W. relevant sind, wird dessen Befragung heute auf die Vernehmung von Torsten L. beschränkt. Andere Themen werden nach erfolgter Aktenbeiziehung zu einem späteren Termin behandelt.

W. berichtet dem Gericht, dass die Vernehmung von Torsten L. im Anschluss an die Durchsuchung von dessen Wohnung am 9. März 2016 stattgefunden habe. Der Schwerpunkt habe auf dem Tatkomplex Overbeckstraße gelegen und Torsten L. habe ausführlich berichtet. Timo S. habe Leute mobilisiert nach Übigau zu kommen, da es zuvor einen Angriff gegeben hat, der Linken zugerechnet worden sei. Torsten L. sei ebenfalls vor Ort gewesen und habe mitbekommen, wie immer mehr Leute aus Freital und Dresden eingetroffen seien. Während Torsten L. an der Blockade gestanden habe, hätten sich diese Personen an der gegenüberliegenden Bushaltestelle getroffen. Als diese sich weiterbewegt hätten, habe er sich „aus Neugier“ angeschlossen. Timo S. habe hier auch schon darauf hingewiesen, dass die Mobiltelefone ausgeschaltet werden sollen, damit Chats gelöscht werden.

Unter der Brücke über die Flutrinne seien dann Tatvorbereitungen für einen Angriff auf das Wohnprojekt getroffen worden. Torsten L. habe von etwa 40 Personen gesprochen, allerdings seien fünf oder sechs Personen nicht mit unter die Brücke gekommen. Dort sei Pyrotechnik mit Buttersäuregefäßen verbunden worden, es habe außerdem eine schwarze Sporttasche gegeben, die mit drei bis vier „Dosen“, einer Glasflasche und Pyrotechnik gefüllt gewesen sei. Diese seien mit „C“ und „V“ bezeichnet gewesen. Mitgebracht hätten die Tasche „die Freitaler“. Torsten L. habe gegenüber Timo S. Bedenken bezüglich des Angriffs geäußert, der habe aber nur erwidert, dass „die“ das genauso mit uns machen würden.

Torsten L. sei dann der Gruppe gefolgt, die das Wohnprojekt von vorne angreifen sollte. Er sei aber abgesetzt hinter ihr gelaufen und habe selbst gar nicht genau gesehen, was für Gegenstände auf das Haus geworfen wurden. Der Aussage von Timo S., Torsten L. habe ebenfalls Steine auf das Haus geworfen, habe er widersprochen.

In der Vernehmung habe er außerdem darauf hingewiesen, dass er während der Tat Wilsdruffer Straße und einer Brandstiftung im ehemaligen Real-Markt im Urlaub in Ägypten gewesen sei. Zu anderen Sachen habe er bereits dem Kollegen G. Rede und Antwort gestanden.

Über die Vertraulichkeit im Zusammenhang mit der Aussage von Torsten L. sei KHK W. im Vorfeld nur kurz informiert worden. Da er nur unterstützend tätig gewesen sei, habe er keine genaue Kenntnis des Vorgangs. In der Einsatzbesprechung sei er kurz von KHK Ro. darauf hingewiesen worden, dass diese Vertraulichkeit als Möglichkeit im Raum stehe, sie aber in der Vernehmung zunächst außer Acht gelassen werden solle. Von einer bereits zugesagten Vertraulichkeit habe KHK W. nichts gewusst, auch die entsprechenden Vernehmungen seien ihm nicht bekannt gewesen.

Nach der etwa anderthalbstündigen Befragung wird die Einvernahme von KHK W. unterbrochen. Das Gericht verliest im Anschluss einen Bericht zur Durchsuchung bei der Angeklagten Maria K., aus dem hervorgeht, dass bei der Angeklagten neben mehreren Mobiltelefonen und Computertechnik, auch Pyrotechnik, darunter Kugelbomben verschiedener Größen, sichergestellt worden sind.

Dann folgt zum Abschluss des 42. Prozesstages die Verlesung eines Auswerteberichts zu Rico K.s Mobiltelefon. Der Angeklagte wurde am 11. Januar 2016 in Leipzig-Connewitz wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruch in Gewahrsam genommen und dort wurde sein Mobiltelefon beschlagnahmt. Die Daten seien dann der EG Deuben zur Verfügung gestellt worden. KHKin H. habe mehrere relevante Bilddateien identifiziert, sie zeigen ein Logo der Freien Kameradschaft Dresden, sowie zwei Bilder mit vermummten Personen, die unter anderem ein Banner halten mit der Aufschrift: „Freiheit für FTL“. Unter den Audiodateien sei insbesondere ein Hörbuch aufgefallen: Hitlers „Mein Kampf“.

Am 43. Prozesstag berichtet zunächst KHK Ro. zu den Ermittlungen um den Anschlag auf das Fahrzeug des Linken-Stadtrats Richter. Zuständig sei der Regionale Ermittlungsabschnitt Dresden des OAZ gewesen. Infolge von Personalmangel sei Ro. aus Bautzen dorthin abgeordnet wurden. Er habe die Ermittlungen wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion allein geführt. Am Tag nach der Tat habe er sich den PKW angeschaut, die Schäden hätten ihm klar gemacht, dass es sich nicht um einen „Dumme-Jungen-Streich“ handele. Immerhin sei das Dach deutlich nach oben ausgebeult gewesen und die Türen hätten sich nicht mehr schließen lassen. Der zuständige USBV-Techniker habe ihm mitgeteilt, dass die Explosion vermutlich durch Cobra-6 oder -12 verursacht worden sei.

Ro. habe veranlasst, dass die Videoaufnahmen zweier Tankstellen vom Tatabend gesichert werden, außerdem seien die Verbindungsdaten der Funkzelle am Tatort erfasst worden. Eine Auswertung von Social Media-Kanälen habe nichts ergeben. Auf den Einsatz von Mantrailer-Hunden habe Ro. verzichtet. Später habe sich dann ein Zeuge gemeldet, der behauptet habe, er kenne den Täter. Er habe eine weitere Person benannt, aber tatsächliche Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung haben sich daraus nicht ergeben. Ro. rechne beide Personen dem städtischen „Trinkermilieu“ zu. Vernommen wurde auch P., der Fotos vom zerstörten PKW an die Facebookseite „Bürgerwehr FTL/360“ geschickt hat. Außerdem habe das örtliche Polizeirevier auch angeregt in Richtung Versicherungsbetrug zu ermitteln. Aber auch das sei ergebnislos gewesen. Ende August sei der OAZ-Beamte dann zurück nach Bautzen gegangen, die Ermittlungen zum PKW und einer zerstörten Briefkastenanlage seien in Dresden verblieben.

Am 21. September 2015 sei KHK Ro. erneut nach Dresden zur neu gegründeten EG Deuben abgeordnet worden. Er habe dort mit zwei weiteren Kollegen zusammengearbeitet. Am 29. September sei Axel G. aufgrund einer TKÜ des Staatsschutzes Dresden in den Fokus gerückt. Zur Tat PKW Richter habe sich aber längere Zeit nichts ergeben. Erst im Dezember 2015 mit der Aussage von Timo S. sei „die Sache aufgegangen“, so der Ermittler. Aufgrund der Aussage von Timo S. sei klar geworden, dass es zwei „Anläufe“ gab, den PKW zu zerstören. Timo S. sei nur bei dem Ersten beteiligt gewesen.

Nächstes Thema in der Befragung ist der Anschlag auf das Parteibüro der Linken am 20. September 2015. KHK Ro. berichtet, dass auch hier wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion ermittelt worden sei. Sie hätten erneut Videoaufnahmen der Aral-Tankstelle gesichert und Verbindungsdaten erhoben. Eine Zeugin, die über dem Büro wohnt, habe kurz vor der Explosion die Schritte einer weglaufenden Person gehört, aber nichts gesehen. Später hätten die Ermittler eine WhatsApp-Nachricht von Timo S. gefunden, in der es geheißen habe: „Der Vortrag am nächsten Tag muss verhindert werden.“ Auffällig seien auch die Angaben von Mike S. in einer Befragung gewesen. Sie waren unstimmig im Hinblick auf die von ihm angegebene Fahrzeit vom Arbeitsort zur Aral-Tankstelle. Auch wolle er nichts von einer Explosion gehört haben. Aus der Vernehmung von Sebastian S. hätten die Ermittler dann erfahren, dass der Sprengkörper mit doppelseitigem Klebeband an der Fensterscheibe angebracht worden sei. Insgesamt konnte die EG Deuben für die Tat vier Beschuldigte identifizieren: Sebastian S., Philipp W., Patrick F. und Mike S.

Vom Anschlag Overbeckstraße hätten die Ermittler erst am Tag danach erfahren, nachdem sie die aufgelaufenen TKÜ-Mitschnitte ausgewertet haben. Die TKÜ sei seit dem 9. Oktober aktiv gewesen, bis dahin aber ohne relevante Gespräche. Deswegen habe man auf eine Live-Überwachung verzichtet, sie sei „sachlich nicht nötig“ gewesen, so der Ermittlungsleiter.

Die Tat selbst sei zuvor vom zuständigen Polizeirevier als Sachbeschädigung aufgenommen worden. Für Ro. sei das allerdings bis heute nicht verständlich. Es sei schon allein wegen der Größe der aufgefundenen Pyrotechnik klar gewesen, dass hier von einer schwereren Straftat auszugehen sei. Die EG Deuben habe den Vorgang entsprechend umklassifiziert zum Vorwurf Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und die Sachbearbeitung übernommen. Auch in diesem Fall seien Verbindungsdaten erhoben worden, gefunden wurden Datensätze der Angeklagten Maria K. Die Vernehmung von Torsten L. habe den Tatablauf erhellt, das arbeitsteilige Vorgehen in zwei Gruppen sei deutlich geworden, außerdem, dass die Tatvorbereitung über KakaoTalk erfolgt sei und auch am „Protestcamp“ stattgefunden habe.

KHK Ro. verweist außerdem auf einen WhatsApp-Chat zwischen dem Angeklagten Patrick F. und dem zur Freien Kameradschaft Dresden gerechneten Maximilian R., in dem sie über einen Vorfall am „Protestcamp“ vor der Übigauer Turnhalle sprechen und beschließen deswegen das Wohnprojekt anzugreifen. Patrick F. erklärt: „Wir gehen heute da rein, da fliegt definitiv was rein.“ Sein Gegenüber zeigt sich erfreut und kündigt an, Leute mobilisieren zu wollen.

Die Befragung einer Hausbewohnerin eine Woche nach der Tat sei nicht zustande gekommen, da die Zeugin krank gewesen sei. Bei einem weiteren Termin sei auf die Gefahr einer Selbstbelastung hingewiesen worden und auf die diesbezüglich schlechten Erfahrungen bei einem anderen Angriff auf ein Hausprojekt in Dresden-Löbtau am 19. Februar 2011. Bei den anderen Hausbewohnern habe sich die EG nicht um eine Befragung bemüht. KHK Ro. meint, wenn die Verantwortliche nicht mit der Polizei sprechen wolle, dann gelte das sicherlich auch für die „Untergeordneten“.

Von der Verletzung eines Hausbewohners habe der Ermittler erst erfahren, nachdem er die Vernehmung des BKA gelesen habe. Überrascht habe ihn dieses „Pfeifen im Ohr“ aber nicht. Ähnliche Symptome seien etwa nach Einsätzen der Bereitschaftspolizei „nicht unüblich“, wenn dort mit Pyrotechnik geworfen wurde.

Auf die Frage, ob alle Angreifer bekannt gemacht wurden, bestätigt das KHK Ro. für diejenigen von der Gruppe Freital. Wie es bei der Freien Kameradschaft Dresden aussehe, wisse er nicht. Dass man sich auf die Freitaler konzentriert habe, erklärt Ro. damit, dass es sich um Haftsachen gehandelt habe. Die Staatsanwältin Kirchhof habe ebenfalls deutlich gemacht, dass die Dresdner erstmal keine Priorität hätten.

Der OAZ-Ermittler erklärt auch, dass spätestens seitdem die KakaoTalk-Chats durch Torsten L. vorgelegt worden sind, der Verdacht nahe lag, dass die Taten als Bildung einer kriminellen Vereinigung verfolgt werden können. Die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens habe aber deutlich gemacht, dass sie nicht genügend hinreichende Verdachtsmomente sieht. Das sei bei einem Treffen am 28. Oktober 2015 erklärt worden, bei dem sich Vertreter der EG Deuben mit vier Staatsanwälten, darunter der Leiter der Staatsschutzabteilung Jürgen Schär, getroffen haben sollen. Auch danach, bis zur Übernahme durch die Bundesanwaltschaft im April 2016, habe die zuständige Staatsanwältin Kirchhof darauf bestanden, dass die Taten als Einzelstraftaten bearbeitet werden.

Die Konfusion über unterschiedliche Dienstvorgesetzte kann KHK Ro. erklären. Bis zur Übernahme des Verfahrens durch die Generalstaatsanwaltschaft am 29. Oktober 2015 sei die EG Deuben beim Regionalen Ermittlungsabschnitt Dresden angesiedelt gewesen. Leiter des Abschnitts sei EKHK G., der vor Gericht bereits ausgesagt hat. Danach sei man dem Zentralen Ermittlungsabschnitt zugewiesen worden, weil dieser mehr Erfahrungen mit Strukturermittlungen besäße. Vorgesetzter sei hier EKHK Kä. gewesen. Ro. erklärt auch, dass die Arbeit zuvor nicht immer reibungsfrei verlaufen sei. Es habe immer mal unterschiedliche Meinungen gegeben, wie vorzugehen sei. EKHK G. habe in vielen Sachen „mitgewirkt“, „nicht immer auf unseren Wunsch hin“, so Ro. weiter. Die von G. ins Spiel gebrachten „generalpräventiven Maßnahmen“ habe es seiner Erinnerung nach nicht gegeben, die EG Deuben sei lediglich repressiv tätig geworden.

Weiteres Thema in der Befragung ist die Verletzung eines Bewohners der Wilsdruffer Straße. Hier habe KHK Ro. nach erfolgter Entbindung von der Schweigepflicht die ärztlichen Unterlagen angefordert. Darüber hinaus berichtet Ro. über die Auswertung der Dienstpläne von Timo S. und Philipp W., die insbesondere mit Blick auf die Tattage erfolgt sei, und über die Auswertung von Lichtbildern auf dem Mobiltelefon von Torsten L., als Zuarbeit für das Bundeskriminalamt.

Zur Vernehmung von Patrick F. berichtet der Polizeibeamte, dass der Beschuldigte gut vorbereitet gewesen sei. Er habe in „feinstem Beamtendeutsch“ Stellung genommen, so Ro. weiter. Allerdings habe er bei Themen, in denen er nicht „sattelfest“ war, „drumherum“ geredet. Namen von den Dresdnern, die an der Overbeckstraße beteiligt waren, habe er nicht genannt. Als eine Nebenklagevertreterin nach den Kontakten zu Polizeibeamten fragt, interveniert die Bundesanwaltschaft. Staatsanwalt Neuhaus meint, der Zeuge habe hierzu keine Aussagegenehmigung. Klar wird zumindest, dass es eine weitere Befragung von Patrick F. durch das Dezernat für Amtsdelikte gegeben hat, in denen es um dessen Verbindungen zu Polizeibeamten ging. Offenbar sollen diese Hintergründe aber nicht thematisiert werden.

In der Abschlussbefragung des Zeugen werden nochmals Lücken in der Beweiserhebung deutlich. So hat die Ermittlungsgruppe auf eine umfassende Auswertung des KakaoTalkchats verzichtet. Stattdessen habe man nur die Zeiträume konkreter Taten ausgewertet. Diese Einschränkung sei aufgrund knapper personeller Ressourcen vorgenommen worden, erläutert Ro.

Nach einer gut vierstündigen Befragung wird der Leitende Ermittler der EG Deuben entlassen.

Der erste Zeuge B. am 44. Verhandlungstag ist ein ehemaliger Bewohner des Hausprojekts Mangelwirtschaft in Dresden-Übigau. Er ordnet den Angriff in eine damals spürbare Bedrohungssituation ein und verweist auf die rassistisch motivierten Ausschreitungen in Heidenau und der Bremer Straße in Dresden. Im Vorfeld des Angriffs auf das Hausprojekt sei er auch an der Blockade vor der Turnhalle in der Thäterstraße gewesen, um zu zeigen, dass nicht alle Leute im Viertel die Meinung der Blockierer teilen. Er habe dort mit Leuten gesprochen, die ihm auch rasch „Dresche“ angeboten hätten. Den Leuten dort sei klar gewesen, dass er in dem Hausprojekt wohne, das sei vor Ort angesprochen worden. Er erinnert sich, dass das Hausprojekt auch mehrfach auf Facebook genannt worden sei. B. erklärt weiter, dass er damals nicht das Gefühl gehabt habe, dass die Polizei Personen vor rechter Gewalt schützt. Der Angriff auf das Hausprojekt habe ihn dann „eigentlich nicht gewundert.“

Der Tatabend sei in der Erinnerung des Zeugen „ereignislos“ gewesen. Insgesamt seien vll. zehn Hausbewohner*innen da gewesen. Er habe sich zu Beginn des Angriffs mit zwei weiteren Bewohnern in der Küche im ersten Obergeschoss aufgehalten. Auch auf Vorhalt kann sich der Zeuge nur an zwei weitere Personen erinnern: „Ich kann das gerade nicht in Einklang mit meiner Erinnerung bringen.“ Er ergänzt aber, dass man kurz davor gewesen sei ins Bett zu gehen, als ein Mitbewohner auf Leute hingewiesen habe, die sich auf der Straße hinter einem Glascontainer versteckt und sich anschließend schnell auf das Haus zu bewegt hätten. B. habe etwa vier bis fünf Personen wahrgenommen. Er sei dann zügig ins Erdgeschoss gelaufen und dort in die Küche, weil man dort gut überblicken könne, was im Erdgeschoss passiere. Die Außenbeleuchtung sei zu diesem Zeitpunkt bereits angeschaltet gewesen, sie habe auch die Küche leicht erhellt. In der Küche selbst habe er kein Licht angeschaltet, um nicht so leicht entdeckt zu werden. Möglicherweise sei aber auch das Flurlicht angeschaltet gewesen und habe auch die Küche etwas ausgeleuchtet.

B. berichtet weiter, dass er kurz in sein an die Küche angrenzendes Zimmer gegangen sei, dort habe er sich aus Selbstverteidigungszwecken eine Eisenstange geholt. In dem Moment sei Pyrotechnik vor dem Haus explodiert. Die Fensterläden zur Straße hin seien aber geschlossen gewesen, deswegen sei sein Zimmer „erstmal nicht die Priorität“ gewesen. Zurück in der Küche habe er Knallen sowohl vor, als auch hinter dem Haus wahrgenommen. Er habe seinen Kopf unten gehalten, um keine „Zielscheibe“ anzubieten. Er vermutet, dass der Angriff „wahrscheinlich keine zwei Minuten“ gedauert habe. Nachdem der Lärm sich gelegt habe, habe er noch einen Moment abgewartet und sei dann ins Treppenhaus gegangen. Dort habe er Personen wahrgenommen, mit denen er anschließend hinaus in den Hof gegangen sei. Während des Angriffs sei er größtenteils allein gewesen.

Nach etwa 10 Minuten sei bereits die Polizei eingetroffen, Hausbewohnerin K. habe mit den Beamten gesprochen. Später habe er auch Polizisten gesehen, die Spuren gesichert hätten. In einem zwischenzeitlich geführten Gespräch mit dem Zeugen W. habe ihm dieser von einem Pfeifen im Ohr berichtet. Er habe das damals so verstanden, dass ein Böller in Richtung eines Fensters geflogen und in der Nähe explodiert sei. Ob Pyrotechnik im Haus explodiert sei, wisse er selbst aber nicht. Eine Fensterscheibe der Erdgeschossküche sei beschädigt gewesen, er vermute, dass dies indirekt durch die Explosion eines Sprengkörpers verursacht worden sei. Der Zeuge erinnert sich außerdem an ein Loch im Fenster der Küche des ersten Obergeschosses. Dort habe auch noch ein Stein gelegen, der vermutlich von der Polizei sichergestellt worden sei, da er später nicht mehr dort lag.

Er sei dann am Abend „ziemlich im Eimer“ gewesen und bald ins Bett gegangen. B. erläutert, dass sich sein Verhalten nach der Tat nicht geändert habe, da der Angriff für ihn absehbar gewesen sei. Als zusätzlicher Schutz sei an Fenstern Splitterschutzfolie angebracht worden. Fensterläden hätten nur die Fenster zur Straßenseite besessen. Die Schäden im Haus seien zum Teil arbeitsteilig behoben worden, genaueres wisse er dazu aber nicht, da er nach dem Angriff wegen eines mehrmonatigen Praktikums nicht so oft vor Ort gewesen sei.

Die eingangs erwähnte Bedrohungssituation habe schon dazu geführt, dass man sich Gedanken gemacht habe, wie man sich verhalten solle: „Ich hatte mir das schon überlegt.“ Aber es habe keinen „Masterplan“ gegeben.

Die zweite Zeugin des Tages, Alina T., wird von Szeneanwalt Jens Lorek begleitet. Eine Beiordnung als Zeugenbeistand lehnt das Gericht jedoch zweimal ab, da dafür die Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Frage Loreks, ob gegen seine Mandantin ein Ermittlungsverfahren laufe, beantwortet der Vorsitzende Richter Fresemann insoweit, dass bis heute hierzu keine Erkenntnisse vorlägen. Allerdings sei man auch nicht die Auskunftsstelle der Staatsanwaltschaft.

Die ersten Fragen an die Zeugin T. zielen darauf ab, ob sie die Angeklagten kenne. Maria K. kenne sie aus „privatem Umfeld“, zu anderen Angeklagten will die Zeugin jedoch keine Angaben machen. Die Verteidigung der Angeklagten schaltet sich hier erstmals ein: Sie wirft die Frage auf, ob Alina T. nicht nach §55 StPO belehrt werden müsse und ob ihr hier nicht ein Auskunftsverweigerungsrecht zustehe. Die Auseinandersetzung, in der die Bundesanwaltschaft unter anderem erklärt, dass ein bloßes Kennverhältnis kein Indiz für eine Unterstützung einer terroristischen Vereinigung sein könne, weil man andernfalls ein Verfahren gegen „zwei Drittel der Bevölkerung Freitals“ einleiten müsse, endet letztlich mit der Belehrung durch das Gericht. Ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht stehe der Zeugin jedoch nicht zu.

Erneut wird sie vom Gericht gefragt, wen der Angeklagten sie kenne, jedoch macht T. weiterhin keine Angaben. Sie kenne aber Felix W., der bereits vor Gericht ausgesagt hat. Den habe sie am 21. Oktober 2015 zum Polizeirevier begleitet. Der Grund sei eine Bedrohung durch den Angeklagten Timo S. gewesen, Felix W. habe Angst gehabt und T. gebeten ihn zu begleiten. Bei der Polizei sei auch Alina T. angehört worden, ihre Aussage habe sie im Anschluss daran unterschrieben. T. erklärt dazu, sie sei damals noch nicht volljährig gewesen, deswegen hätten ihre Eltern gegenzeichnen müssen. Überhaupt könne sie sich nicht mehr erinnern, worum es da genau gegangen sei. Das sei ja mittlerweile zwei Jahre her, betont die Zeugin immer wieder und veranlasst den Vorsitzenden festzustellen, dass sie offenbar eine Person sei, „an der das Leben schnell vorbeiziehe“.

Sie wisse auch nicht, was in den acht Bilddateien zu sehen gewesen sei, die ihr Felix W. via WhatsApp geschickt habe, damit sie diese an den EKHK G. per Mail weiterleite. „Das war privat, da schaue ich nicht hin“, erklärt sie dazu.

Thematisiert wird auch ein Streit zwischen ihr und Maria K., an den T. jedoch auch keine Erinnerung mehr habe. Daran ändern auch Vorhalte nichts, die deutlich machen, wie Maria K. und Timo S. darüber sinnieren, dass man Alina T. umbringen, ihr „den Kopf zu Brei schlagen“ müsse. Sie wisse zwar noch, dass ihre Eltern eingeschritten seien, aber könne zum Thema des Streits nichts mehr sagen.

„Eingebrannt“ habe sich jedoch eine andere Auseinandersetzung mit Maria K. im Zuge der Demonstrationen am Leonardo-Hotel. Alina T. sei dort Ordnerin gewesen und habe Maria K. gebeten, ihr Auto woanders zu parken. Daraufhin sei sie von K. „belegt“ worden.

Auf die Frage, ob sie am sogenannten Protestcamp in Übigau gewesen sei, antwortet T.: „Ich war nicht dort, jedenfalls nicht mit den Angeklagten.“ Sie sei einmal „zum Schauen“ mit Felix W. dort gewesen. Später erklärt T., dass sie auch mit ihren Eltern und Freunden, sowie „anderen“ in Übigau gewesen sei.

Dritter und letzter Zeuge ist erneut der Ermittler F. von der USBV-Gruppe des LKA Sachsen. Er berichtet heute über seine Einschätzung zu den sichergestellten Sprengkörpern vom Anschlag auf die Overbeckstraße.

Bei einem sichergestellten, nicht explodierten Sprengkörper habe es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um Cobra-12 oder Viper-12 gehandelt, so der Beamte. Beide Sprengkörper seien identisch und unterscheiden sich nur durch ihre Bezeichnung. Das Asservat habe keine Kennzeichnung mehr gehabt, da die äußere Hülle entfernt worden sei, so F. weiter. Jedoch habe der Vergleich mit Pyrotechnik aus der LKA-Sammlung gezeigt, dass sowohl die äußeren Dimensionen, als auch die Verklemmung des Tonpfropfens und die Stärke der Pappverdämmung nur mit denen von Cobra-12 bzw. Viper-12 übereinstimme. Die Einschätzung wird durch einen entsprechende Fotovergleich unterstrichen, den das Gericht in Augenschein nimmt.

Beim zweiten gesicherte Asservat habe es sich um Reste einer 6-Zoll-Kugelbombe gehandelt. Das sei anhand des Auswurfbechers festgestellt worden, der auch entsprechend beschriftet gewesen sei.

Zum Abschluss des Prozesstages verliest das Gericht noch verschiedene Ausschnitte aus Chatgesprächen. Darin geht es unter anderem um Philipp W., der möglicherweise eine Person mit einem DumBum-Böller beworfen habe. Ein anderes Thema sind die Sprengversuche und die dazugehörigen Absprachen. So erkundigt sich der Chatteilnehmer „Phili“ nach der Streuwirkung der Sprengkörper, woraufhin „Miri“ antwortet: „Perfekt verteilt“ und „Phili“ den Schluss zieht, solche Sprengkörper seien „perfekt für Innen oder große Menschenmengen“.

Außerdem geht aus einem Chat hervor, dass sich Justin S. bei der Zündung eines Sprengkörpers beinah verletzt habe. Auch werden die Überlegungen zu einem Anschlag auf eine Kundgebung am Freitaler Friedensplatz thematisiert. Der User „DAKOM“, hinter dem der Freitaler NPD-Stadtrat Dirk Abraham stehen soll, erwidert auf die Einwände, dass dort auch Frauen und Kinder beteiligt seien: „Kinder haben da nichts zu suchen. Gebt den Eltern die Schuld.“ Auf Nachfrage erklärt Patrick F., dass die Idee gewesen sei, am Kundgebungsort Pyrotechnik zu verstecken und diese später zu zünden.

Der Verhandlungstag schließt mit einem Beweisantrag der Verteidigung von Timo S. Sie wollen mit einem Sachverständigengutachten klären, dass die Nicknames „Timo“ und „Nacken“ nicht sicher ihrem Mandanten zugeordnet werden können.

Am 45. Verhandlungstag berichtet der erste Zeuge, Tommy B., dass er Justin S. 2014 bei seiner Ausbildung zum Gleisbauer kennengelernt habe. Sie seien in der gleichen Ausbildungsklasse gewesen und hätten zusammen die Berufsschule in Reichenbach und Gera besucht. Teilweise sei er auch mit Justin S. auf derselben Baustelle eingesetzt gewesen, hin und wieder habe man sich in einer Pension ein Zimmer geteilt. Auch habe er ihn öfter in seinem Auto in Freital abgeholt oder dorthin gefahren. Man habe schon „einige Zeit miteinander verbracht“.

Justin S. habe er als „zuvorkommenden, lieben und netten Arbeitskollegen“ wahrgenommen. Soweit er es mitbekommen habe, so Tommy B. weiter, habe sich Justin S. verhalten, „wie alle anderen auch“. Er sei kein Einzelgänger gewesen. Justin S. habe auch die Ausbildung ernst genommen, wenngleich er sich manchmal etwas „tollpatschig“ angestellt habe.

Über Politik hätten sie nicht gesprochen, Tommy B. sagt, das interessiere ihn nicht. Er kenne zwar die Zeitungsberichterstattung zu den Anschlägen, aber ansonsten sei das kein Thema gewesen. Als die Polizei aufgetaucht sei, habe der Zeuge nicht gewusst, worum es geht. In der Unterkunft in Reichenbach hätten zwei Durchsuchungen stattgefunden, erinnert sich der Zeuge. Bei der ersten sei die Kriminalpolizei gekommen und habe verschiedene Sachen, auch Gegenstände aus seinem persönlichen Besitz, beschlagnahmt. Bei der anderen Durchsuchung sei die Pension von der GSG 9 gestürmt und Justin S. festgenommen worden. Auch hier sei das Zimmer durchsucht worden, Tommy B. sei als Zeuge dabei gewesen.

Nachdem ihm seine polizeiliche Vernehmung vorgehalten wird, erinnert sich der Zeuge, dass ihm Justin S. „irgendwas“ über die Bürgerwehr „FTL360Grad“ erzählt habe. Er wisse auch, dass Justin S. „immer mal“ Paintball spielen gewesen sei. Justin S. habe auch die Timba-Bar erwähnt, wo er „mit seinen Kumpels“ was trinken gegangen sei, sowie einen Vorfall bei dem an einem Linken-Büro Scheiben eingeschlagen worden seien. Der Zeuge, der sich hier offenbar sehr genau erinnert, fügt dazu gleich noch an: „Das war an einem Montag oder Dienstag, da waren wir in Reichenbach. Da kann Justin nicht dabei gewesen sein.“

Nur zögerlich erinnert sich der Zeuge an einen Vorfall, bei dem in der Unterkunft in Reichenbach ein Böller gezündet worden sei, den Justin S. mitgebracht habe. B. erinnert sich, dass der lauter gewesen sei, als ein „ihm bekannter“ deutscher Böller. Der Zeuge bejaht, dass es sich um einen „DumBum“-Knallkörper gehandelt habe. Bei der Zündung seien „alle“ dabei gewesen. Von einer mit Klebeband umwickelten Pringelsdose, wisse er aber nichts, erklärt der Zeuge.

Nach der ersten Durchsuchung habe B. Justin S. als stärker „in sich gekehrt“ wahrgenommen. B. habe zu ihm gesagt, dass er selber wissen müsse, was er mache. Nachdem die Vorwürfe bekannt geworden sei, habe man in der Ausbildungsklasse gedacht, Justin S. müsse ein „Mitläufer“ bei der Gruppe Freital gewesen sein. Etwas anderes habe man ihm nicht zugetraut.

Der zweite Zeuge Henning G. berichtet über seine Wahrnehmungen zum 20. September 2015. Er habe sich an dem Abend um 22:25 Uhr mit seinem Freund Manuel O. an der Aral-Tankstelle an der Dresdner Straße in Freital getroffen. Dort hätten sie sich öfter aufgehalten, weil es die einzige Tankstelle sei, die auch nachts geöffnet habe.

Gegen 22:55 Uhr habe er erst einen etwas helleren Lichtschein am dunklen Himmel und sehr schnell danach „einen mörderischen Knall“ wahrgenommen. Für den Zeugen klang es wie eine „Gasexplosion“, weswegen er mit seinem Freund ins Auto gestiegen sei, um zu schauen, was passiert sei. Zu dem Zeitpunkt habe er auch keine weiteren Personen oder Fahrzeuge an der Tankstelle wahrgenommen. Er erklärt aber, dass das Gelände nicht gänzlich einsehbar ist. Sie seien dann in die Richtung gefahren, aus der der Knall zu hören gewesen sei.

G. und sein Begleiter hätten dann auch schnell den Ort des Geschehens, das Parteibüro der Linken, gefunden. Dort hätten Glasscherben auf dem Fußweg gelegen, Anwohner vor dem Haus gestanden, eine Frau habe aus dem Fenster gerufen: „Das waren die Nazis.“ Er und sein Freund hätten den PKW abgestellt und seien dann zum Büro gelaufen, kurz darauf sei die Polizei eingetroffen, habe das Gebiet abgesperrt und die Personalien der Anwesenden aufgenommen.

An der Absperrung habe sich ein „kleiner Massenauflauf“ gebildet und immer mehr Leute seien dazugekommen. G. und sein Freund seien später von der Linken-Landtagsabgeordneten Verena Maiwald angesprochen worden, dass sie sich die Schäden durchaus näher ansehen können. G. sagt, sie hätten sich nicht lange bitte lassen. Der Schaden sei „beeindruckend“ gewesen, drinnen und draußen hätten Scherben gelegen. Der Innenraum sei zudem mit einer Staubschicht aus Glassplittern überzogen gewesen. Sie hätten dann gemeinsam beim Aufräumen geholfen, was bis ca. 4 Uhr gedauert habe. Nach einer halben Stunde ist die Befragung beendet.

Der dritte Zeuge ist Manuel O. aus Freital. Er wird zum selben Sachverhalt befragt und bestätigt im Wesentlichen die Angaben von Henning G. zum Verlauf ihres Treffens am 20. September 2015. Sie hätten sich an der Aral getroffen, weil es die einzige Möglichkeit sei, abends noch ein Bierchen zu trinken. Sie hätten miteinander geredet, als es einen Knall gegeben habe. Der sei „bedeutend lauter als ein Silvesterknaller“ gewesen, so O. weiter. Sie hätten sich dann auf den Weg gemacht, um zu schauen, was passiert sei. Sie seien „blindlings“ losgefahren und seien zufällig auf das Parteibüro der Linken gestoßen.

Am Parteibüro sei die Scheibe kaputt gewesen, außerdem hätten sich Anwohner davor versammelt. Sie wollten gerade wieder aufbrechen, als die Polizei eingetroffen sei und auch ihre Personalien aufgenommen habe, berichtet O. Durch Zufall habe sich dann auch ein Gespräch mit Michael Richter von der Linken ergeben, am Ende hätten sie geholfen, die Scherben aufzukehren. Nach knapp 15 Minuten wird der Zeuge entlassen.

Im Anschluss verliest das Gericht mehrere Abschnitte aus den KakaoTalk-Chats. Ein Gespräch dreht sich um Felix W. und dessen Anzeige bei der Polizei. Der User „DAKOM“ nennt Felix W. deswegen ein „Kameradenschwein“, das aus dem Chat aussortiert worden sei. Nach der Aussage habe man den Chat neu eingerichtet, da es möglich sei, dass „die Bullen“ die Zugangsdaten besitzen. Ein weiterer Chatteilnehmer erklärt: „Freital hat einen Bewohner weniger“, außerdem heißt es: „Hoffentlich sagt er nicht vor Gericht aus“ und „Klatsch den weg, den Penner.“

Aus einem weiteren Gespräch wird deutlich, dass sich mehrere Angeklagte am Abend nach der Räumung der Blockade an der Turnhalle Tätherstraße in Dresden-Übigau aufgehalten haben und es Überlegungen für eine „Spontandemo“ gegeben hat. Außerdem thematisiert „Phili“, dahinter steht der Angeklagte Philipp W., dass es Druck auf seinen Arbeitgeber, die Regionalverkehr Dresden GmbH, gegeben habe. Ihm sei mitgeteilt worden, dass ihm „nichts passieren dürfte“, wenn er sich „zurückziehe.“ Phili meint auch: „RVD ist das im Großen und Ganzen egal“, was er privat so treibe. Nur die Deutsche Bahn, zu der RVD gehöre, sehe das nicht so.

Im Chat dokumentiert ist außerdem ein längeres Streitgespräch zwischen „Alina“ und Maria K., sowie Timo S., sowie eine Diskussion über den Inhalt eines gemeinsamen Transparents für Demonstrationen.

Nach der etwa einstündigen Verlesung endet der 45. Prozesstag.

Die einzige Zeugin 46. Prozesstag ist die BKA-Beamtin Anika V., die zu zwei von ihr gefertigten Vermerken angehört werden soll. Sie berichtet, dass sie erst im Frühjahr 2016 zu den Ermittlungen dazugestoßen sei und dort vor allem mit den heute Angeklagten Philipp W. und Rico K. befasst gewesen sei. Im November 2016 sei sie außerdem bereits wieder von den Ermittlungen abgezogen worden.

Zu einem Erkenntnisvermerk über Rico K. vom Juni 2016 berichtet die Zeugin zunächst über die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten. Der 1977 in Prenzlau geborene Rico K. habe Bäcker und Koch gelernt und zuletzt als selbständiger Showschnitzer gearbeitet. Er habe mit seiner ehemaligen Lebenspartnerin und der gemeinsamen Tochter in der gleichen Wohnung gewohnt.

Außerdem habe es bereits polizeiliche Erkenntnisse gegeben. So sei Rico K. bereits wegen Urkundenfälschung, Betrug und versuchtem Betrug, sowie Unterschlagung polizeibekannt gewesen. Im Zeitraum vom 15. bis zum 20. April 2016 habe das BKA verschiedene Telefonanschlüsse des Angeklagten überwacht. Weiterhin habe es Durchsuchungsmaßnahmen gegeben. So sei am 11. Januar 2016 das Mobiltelefon von Rico K. im Zusammenhang mit einer Legida-Demonstration beschlagnahmt worden. Am 9. März sei die Wohnung das erste Mal durchsucht worden und am 19. April 2016 ein zweites Mal. Außerdem sei auch eine Gartenlaube einbezogen worden. Vor allem elektronische Asservate seien bei den Maßnahmen aufgefunden worden, so die Beamtin.

Das Gericht interessieren vor allem die politische Bezüge des Angeklagten. Die Beamtin kann dazu allerdings nicht allzu viel berichten. Sie verweist auf einen Chatbeitrag, in dem Rico K. angekündigt habe, nach Prag zu fahren, um dort Nazis zu treffen. Diese wolle er für einen „Mob“ beim Pegidageburtstag mobilisieren, um dann zusammen „auszurasten“. Als das Gericht nach der Auswertung des Facebook-Accounts von Rico K. fragt, räumt die BKA-Beamtin ein, dass sie die Auswertung selbst nicht vorgenommen habe, sondern ein Kollege. Sie habe dessen Erkenntnisse lediglich in den Vermerk übernommen.

Entsprechend karg fallen die Antworten auf Fragen aus, wie sie etwa zwischen rechts und rechtsextrem differenziert habe oder wie sie Musikvideos rechter Bands eingeschätzt habe. Auch zu weiteren Ermittlungsdetails muss die Zeugin passen: Daran habe sie keine Erinnerung mehr.

Der Vorsitzende Richter weist die Zeugin daraufhin, dass sie schon damit rechnen muss, als Zeugin gehört zu werden, wenn sie Vermerke unterzeichne. Wenn diese in der „schlampigsten“ Form erstellt worden seien, nämlich kopiert, dann sei das eben so. Da müsse man aber nicht so darum kreisen. Oberstaatsanwalt Hauschild nimmt die Zeugin in Schutz, der zusammenfassende Vermerk sei als „Service“ gedacht gewesen. Möglicherweise müsse man diese Praxis überdenken.

Zuletzt wird die Zeugin aus den Reihen der Nebenklage befragt, ob von ihr die Einschätzung stamme, dass sich die Facebook-Seite „Widerstand Freital“ an „asylkritische Personen“ richte. Die Beamtin bestätigt das: „Ich denke schon.“ Sie wird auch gefragt, ob auf der Facebook-Seite nicht auch über die Taten der hier angeklagten Gruppierung berichtet worden sei. Auch das bestätigt die Zeugin, sie habe einen solchen Bezug in den Vermerk aufgenommen. Einen anderen Beitrag, der ihr von der Nebenklage vorgehalten wird und der den Anschlag auf das Linken-Parteibüro begrüßt und begründet, sei ihr aber nicht bekannt. Sie denke aber schon, dass der deutlich mache, dass das inhaltlich „einiges mehr“, als als bloß „asylkritisch“ sei – entgegen ihrer im Vermerk festgehaltenen Zusammenfassung.

Nach der gut einstündigen Befragung widmet sich das Gericht erneut der Verlesung von Chatverläufen. Aus einem Gespräch geht hervor, dass mehrere Angeklagte bereits am 4. Oktober 2015 in Dresden-Übigau gewesen sind. Ein Chatteilnehmer berichtet dazu: „Hat bloß einer gegen den Briefkasten gelatscht.“ Das bezieht sich wahrscheinlich auf einen bereits geschilderten Vorfall am Hausprojekt Mangelwirtschaft. Später zeigt das Gericht ein Bild, dass im Chat von „Cukcuk“ eingestellt wurde. Die Nebenklage erklärt hierzu, dass auf dem Foto auch zwei Nebenkläger_innen aus der Mangelwirtschaft zu sehen seien. Das belege, dass die Angeklagten sich schon länger mit den Bewohner_innen des Hauses befasst und Recherchen angestellt hätten.

Ein anderes Gespräch thematisiert die Neueinrichtung eines Chats: „Benennt den Chat in schwarzen Chat um, damit wir nicht durcheinander kommen.“, heißt es dort. Auch werden weitere Aufnahmen diskutiert, so wünscht sich ein Teilnehmer: „Dirk A. würde ich wegen seiner Informantentätigkeit auch mit reinnehmen.“ Einen zuvor im Chat ausgetragenen Streit versucht „Phili“ zu beruhigen: „Wichtig ist, dass der Naziterror weiter geht“. Begrüßt wird das von „RicoRandale“: „Auf jeden Fall“.

„RicoRandale“, der Account der dem Angeklagten Rico K. zugeordnet wird, mobilisiert außerdem mehrfach für Aktionen in Dresden-Prohlis: „Donnerstag/Freitag Aktionen in Prohlis“, schreibt er. Außerdem: „Eskalation wird erwartet.“

Länger thematisiert wird auch ein „linkes“ Herbstfest auf dem Freitaler Neumarkt und der Umstand, dass zwei mehrmals vorbeifahrende PKW durch die Polizei kontrolliert worden sind. „Timo“ fürchtet daraufhin: „Die Bullen werden bei uns noch alle einmarschieren, wegen der Scheiß-Pyroaktion.“ Offenbar ein Hinweis auf die bei der PKW-Kontrolle aufgefundene Pyrotechnik. Der Chatkommunikation kann auch entnommen werden, dass die Kontrolle bei den Angeklagten Mike S. und Philipp W. für Probleme mit ihren jeweiligen Arbeitgebern geführt hat. Im Chat versuchen sie sich abzustimmen, was sie den Arbeitgebern sagen sollen.

Nach gut zweieinhalb Stunden endet die Verlesung und der 46. Prozesstag. Die Hauptverhandlung wird am 19. September 2017 fortgesetzt.

Der erste Zeuge am 47. Prozesstag war bereits an Verhandlungstag 35 geladen. Die Vernehmung von Niels A. musste damals unterbrochen werden: Der Zeuge hatte sich hinsichtlich des Anschlags auf das Wohnprojekt in der Overbeckstraße immer stärker in Widersprüche verstrickt und war schließlich nicht mehr fähig, der Befragung zu folgen.

Niels A. wird heute von einer Anwältin als Zeugenbeistand begleitet. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Fresemann nach den Schwierigkeiten beim letzten Mal, verweist A. auf die „Ausnahmesituation“ durch den Gerichtsprozess. Heute gehe es ihm jedoch besser.

Die nun folgende Befragung verläuft dennoch sehr schleppend. Der Zeuge ist deutlich bemüht so wenige Angaben wie nur möglich zu machen. Seine Äußerung zum ersten Vernehmungstermin, er kenne die Angeklagten nicht näher, korrigiert er: er kenne sie nicht. Auch zum Widerspruch zwischen seiner polizeilichen Vernehmung und den Angaben vor Gericht äußert er sich. Er habe bei der Polizei nur berichtet, was „allgemein bekannt“ gewesen sei und was „die Anwohner besprochen“ hätten. Das räumt Niels A. heute ein, zum letzten Termin hatte er noch bestritten, das Wohnobjekt vor dem Vorfall überhaupt gekannt zu haben. Woher seine Kenntnisse rühren, bleibt schleierhaft. A. verweist lediglich auf Gespräche, die er mit Anwohnern auf der Straße geführt haben will. Namen kenne er jedoch keine.

Auch seine Anwesenheit bei der Turnhallenblockade wird erneut in den Fokus gerückt. Aber auch hier bleibt A. schwammig. Auf Nachfrage meint er, sich an zwei oder drei Besuche erinnern zu können. Einer sei vor dem 18. Oktober gewesen, damals seien 10, 20 oder 30 Personen vor Ort gewesen. Der Zeuge sagt, er selbst habe „nicht spezifisch“ über die Mangelwirtschaft gesprochen. Allerdings sei das Objekt Thema bei der Blockade gewesen, den Grund wisse er aber nicht. Auch Ziele und Absichten seien nicht geäußert worden. Niels A. gibt auch an, dass er niemanden der Blockadeteilnehmer „gekannt“ habe. Bei der Versammlung sei es darum gegangen, dass die Teilnehmer, A. bezeichnet sie als Anwohner, „vielleicht“ ihren Unmut äußern „über die Situation der Turnhalle“.

Unerklärlich bleiben auch seine Angaben bezüglich seines Anrufs bei der Polizei am Tatabend. Er habe damals von „Rechten“ gesprochen, die das „linksalternative Wohnprojekt Mangelwirtschaft“ angreifen. Letztere Bezeichnung will er „beiläufig“ aufgeschnappt haben bei einem Gespräch, wo „ich… sich“ Leute unterhalten hätten. Dass die Angreifer Rechte gewesen seien, habe er gefolgert, weil er „für den Bruchteil einer Sekunde“ „dunkle Schatten“ wahrgenommen habe. An den Angriff selbst, den er zwar als „Schock“ bezeichnet, habe er sonst kaum Erinnerungen. Die Knallgeräusche, die er gehört habe, hätten wie „komisches Feuerwerk“ geklungen. „Vielleicht“ habe es eine Wurfhandlung gegeben. Dass Niels A. unter seiner polizeilichen Vernehmung noch handschriftlich ergänzt hat: „Hatten Handschuhe auf“, erklärt er heute damit, dass er das nur auf Anraten des Vernehmungsbeamten hinzugefügt habe, das „war nicht meine Erinnerung“, behauptet der Zeuge.

Nach zweieinviertel Stunden beendet das Gericht die Vernehmung und entlässt den Zeugen.

Der zweite Zeuge Martin W. ist Beamter beim Bundeskriminalamt und arbeitet dort in einer „Serviceeinheit“, die im vorliegenden Fall beauftragt worden sei, Internetprofile der Angeklagten zu identifizieren und hinsichtlich Hinweisen auf die Tatmotiviation und die politische Einstellung auszuwerten. Der Auftrag sei am 20. April 2016 erteilt worden und eine Woche später habe W. die Auswertung federführend übernommen.

Der BKA-Beamte erklärt, dass er zum Angeklagten Sebastian W. eine Facebookprofil gefunden habe, dort jedoch keine Hinweise etwa auf seine politische Einstellung. Das gelte auch für die Angeklagte Maria K., der ein Facebookprofil zugeordnet werden konnte.

Das Profil von Mike S. lief unter dem Namen „Uwe Fritsch“, es habe starke Privatsphäreeinstellungen aufgewiesen, W. habe hier nur zwei Beiträge gefunden, die auf „rechte Tendenzen“ hingewiesen hätten. Darunter ein Posting: „Heidenau zeigt wie es geht. Deutschland erwache. Heimatliebe ist kein Verbrechen.“

Bei einem Facebookprofil von Justin S. seien dem Beamten Likes beim „Compact-Magazin“ und dem „Anonymous-Kollektiv“ aufgefallen. Letzteres werde von einem Rechtsextremisten administriert. Unter dem Name „Thomas Müller“ existiere ein weiteres Profil, dass mit hoher Sicherheit, aber „nicht zu 100%“ Justin S. zugeordnet werden könne. Hier wurde die Bürgerwehr/FTL360, Widerstand Freital und die NPD geliked, außerdem bestehe eine Freundschaft mit dem Angeklagten Timo S. Ein Instagram-Account zeige außerdem das Interesse des Angeklagten für Paintball.

Das Facebookprofil des Angeklagten Rico K. sei anhand einer Emailadresse und der Profilbilder identifiziert worden. Hier hätten sich „etliche Hinweise“ auf die Einstellungen des Angeklagten gefunden. So seien etwa die Seiten Bürgerwehr/FTL 360, German Defence League, Skinhead Empire, Sparta Prague Hooligans und „Freiheit für Timo, Phili und Patrick“ geliked gewesen. In der Chronik hätten sich überwiegend private Postings befunden, aber auch solche mit rechtsextremen Bezügen. So seien Videos der Bands Oidoxie, Sleipnir und Sturmwehr gespostet worden. Auch seien „Fakenews“ über Flüchtlinge weiterverbreitet worden.

Auch auf dem Profil des Angeklagten Patrick F. habe es viele Likes für die rechte Szene gegeben. Darunter „Widerstand Freital“ und »Heidenau zeigt wie es geht“. Den Like bei „Freital Nazifrei“ erklärt der Beamte damit, dass so etwas durchaus üblich sei, um zu verfolgen, was die „Gegenseite“ treibe. Bilder auf dem Profil deuten auf das militärische Interesse von Patrick F. hin, er posiere dort mit Camouflage-Kleidung, Helm, Schutzweste und Waffe. Ein Video in der Chronik, Patrick F. hat es geliked, zeige außerdem die Zündung und Explosion eines selbst gebastelten Sprengkörpers.

Für Timo S. habe der Beamte zwei Facebookprofile gefunden. Auch hier habe es einschlägige Likes gegeben, etwa bei Pegida, Bürgerwehr/FTL 360, Widerstand Freital, AfD und „Dresden-Klotzsche sagt nein zum Heim“. Seine Abneigung gegenüber Linken habe sich etwa in einem geteilten Beitrag von Esther Seitz gezeigt, in dem auch Gewaltfantasien ausgebreitet worden seien.

Der 48. Prozesstag beginnt mit einer Erklärung der Nebenklagevertreter_innen zur gestern thematisierten Auswertung der Facebookseite Bürgerwehr/FTL 360. Rechtsanwalt Hoffmann erklärt, es sei deutlich geworden, dass die Seite als „Publikationsorgan“ der Gruppierung genutzt worden sei. Auf der Seite seien gewaltverherrlichende Inhalte und ideologische Begründungen zu den Anschlägen zu finden. Auch sei versucht worden, die Verantwortung für die Taten den Betroffenen unterzuschieben. Damit habe man den politischen Gegner verunsichern wollen, es zeige aber auch die Angst vor polizeilicher Strafverfolung, erklärt der Anwalt. Zu beweisen sei allerdings noch, dass die Angeklagten für die entsprechenden Einträge verantwortlich sind.

Dann wird die Einvernahme von KHK Marcel W. vom OAZ fortgesetzt. Er ist Hauptsachbearbeiter im Verfahren gegen die Freie Kameradschaft Dresden (FKD) und war in dieser Funktion an dreizehn Vernehmungen beteiligt.

KHK W. berichtet zunächst über die Vernehmung des Dresdners Robert S., der auch am Angriff auf das Wohnprojekt in der Overbeckstraße beteiligt war. Der habe zum Angriff berichtet, dass Timo S. und Patrick F. als Wortführer aufgetreten seien, wobei Patrick F. derjenige gewesen sei, der „angesagt“ habe, was gemacht wird. Außerdem seien Rico K. und Maria K. vor Ort gewesen, bei Justin S. sei er sich nicht sicher gewesen. Eine weitere Person sei mit dem Motorrad gekommen, Robert S. denke, dass es sich dabei um Mike S. gehandelt habe. Der habe auch vier bis sechs Flaschen mit Buttersäure mit zur Brücke über die Flutrinne gebracht. Als weitere Tatbeteiligte habe er Nick F., Maik K. und Benjamin Z. benannt, ob Felix F. dabei gewesen sei, daran habe er sich nicht erinnern können.

Robert S. habe ausgesagt, dass niemand Bedenken gegen die Tat geäußert habe. Einwände habe es nur gegeben, als Timo S. eine Kugelbombe ausgepackt habe. Die Kugelbombe sei aber nach Aussage von Robert S. dennoch eingesetzt worden. Er habe sich auch erinnert, dass Maria K. einen Baseballschläger mitgebracht habe. Die Fluchtfahrzeuge seien von Maria K., Patrick F., Timo S., Janette P. und Florian N. gestellt worden. Die beim Angriff eingesetzte Pyrotechnik, sei von Patrick F. und Timo S. in einer Sporttasche mitgebracht worden.

Robert S. habe auch ausgesagt, dass er davon ausgegangen sei, dass sich im Wohnhaus Personen aufhalten. Ziel der Attacke sei es gewesen, dass die Leute ausziehen. Die Freitaler habe Robert S. das erste Mal in Heidenau getroffen, Florian N. sei derjenige gewesen, der den Kontakt gehalten hat. Was Robert S. noch zu den Ausschreitungen in Heidenau berichtet habe, wisse der Vernehmungsbeamte nicht mehr. Robert S. habe aber zum Anschlag auf den „Lindenhof“ in der Podemusstraße ausgesagt, dass hier Timo S. und Patrick F. dabeigewesen seien. Sie hätten Steine und Pyrotechnik in das Objekt hineingeworfen.

Mit dem zwischenzeitlich erstinstanzlich verurteilten FKD-Mitglied Florian N. habe Marcel W. drei Vernehmungen durchgeführt. Dort habe er ausgesagt, dass sich Janette P. und Rico K. vor dem Angriff gelegentlich an der Blockade aufgehalten hätten. Rico K. habe auch in der Chatgruppe FKInfo über Übigau informiert.

Am 18. Oktober 2015 habe man sich nach dem Angriff auf einen Teilnehmer der Blockade in Übigau getroffen. Die Mobilisierung sei über Telefon und WhatsApp erfolgt, die Dresdner hätten sich zuvor in der Sportsbar „Pfefferminze“ gesammelt. In Übigau habe Patrick F. angeboten Florian N. das Objekt zu zeigen. Sie hätten es dann ausgespäht und Florian N. habe sich dabei überzeugt, dass es sich wirklich um ein alternatives Wohnprojekt handele. Als er Flaggen mit der Aufschrift „Refugees welcome“ sehen konnte, habe ihm das gereicht. Florian N. habe die Idee gehabt vermummt vor dem Objekt zu posieren. Dazu seien weitere Leute mobilisiert worden.

Unter der Brücke seien letztlich 25 Personen zusammengekommen, darunter auch die Angeklagte Maria K. Florian N. habe erklärt, dass dann entschieden worden sei: „Die Freitaler haben die bessere Idee“. Entsprechend sei mit der Vorbereitung des Angriffs begonnen worden. Patrick F. und Timo S. hätten eine Sporttasche mit Pyrotechnik und Zündschnur mitgebracht. Außerdem habe es zwei bis vier Flaschen mit Buttersäure gegeben. Irgendjemand habe die Beteiligten aufgefordert die Telefone auszuschalten. Florian N. habe ausgesagt, dass er angesichts der Pyrotechnik „erschrocken“ sei. Letztlich habe er beim Angriff nicht mitgemacht, allerdings ohne die Gründe zu nennen.

Er habe am Auto gewartet und einen hellen Lichtschein am Nachthimmel gesehen, den er wiederum einer eingesetzten Kugelbombe zugeordnet habe. Später habe ihm Patrick F. berichtet, dass im Haus zehn oder zwanzig Personen gewesen seien. Man habe die Buttersäure geworfen, sie sei jedoch nur im Garten gelandet.

Ansonsten habe Florian N. Timo S. und Patrick F. als „strahlende Führungspersönlichkeiten“ beschrieben, die andere „überstimmen“ könnten. Zu Rico K. habe er angegeben, dass er bei einem Gründungstreffen der FKD mit dabeigewesen sei.

In den Augen des OAZ-Beamten haben die Ermittlungen gezeigt, dass vor allem Florian N. und Janette P. Kontakte für die Freitaler gewesen seien. Rico K. sei auf beiden Seiten verortet worden. In ein paar Punkten habe es Kooperationen zwischen beiden Gruppierungen gegeben: „Wenn man sich gefunden hatte, ist man arbeitsteilig vorgegangen.“

Im Anschluss verliest das Gericht weitere Ausschnitte von Chatprotokollen. Darunter finden sich Absprachen über potentielle neue Mitglieder für die Gruppe und über eine Fahrt nach Tschechien, außerdem wird auf Anregung von Philipp W. die Durchführung eines Fackelmarsches in Freital diskutiert. Weitere verlesene Abschnitte umfassen ein von Timo S. verfasstes Gedicht, in dem die Aktivitäten der Gruppe und einzelner Mitglieder auf zynische Art und Weise zusammengefasst werden, sowie die Vorbereitungen für ein weiteres Fotoshooting auf dem Windberg nach dem erfolgten Anschlag auf die Wilsdruffer Straße.

Der 48. Prozesstag endet mit einer Erklärung der Nebenklagevertreter_innen zu den nun im Selbstleseverfahren eingeführten Chatprotokollen. Rechtsanwältin Pietrzyk zeigt anhand zahlreicher Beispiele auf, welche Erkenntnisse aus dem Chat im Hinblick auf die Gruppenstruktur, die Entscheidungsprozesse, die Tatplanung und -vorbereitung, sowie die Ideologie und Motivation entnommen werden können. Zahlreiche Äußerungen in den Chats belegen die manifeste Fremdenfeindlichkeit, die antisemitischen Ressentiments und die klaren Bezüge zur nationalsozialistischen Weltanschauung innerhalb der Gruppierung.

Uwe M. berichtet am 49. Prozesstag, dass er am Tatabend gegen 1:10 Uhr in der Küche gesessen und geraucht habe. Zunächst habe er einen „Knall“ gehört, der ihn an das kräftige Zuschlagen einer Autotür erinnert habe. Er habe sich dabei aber noch nichts gedacht. Nach einem zweiten „heftigeren Knall“ sei sein Sohn in die Küche gekommen und gemeinsam seien beide zum Fenster gegangen. Er habe aus der 5. Etage die auf der gegenüberliegenden Straße geparkten Autos gesehen, darunter der PKW des Linken-Stadtrats Richter. Auf dem Fahrersitz habe er etwas hell leuchten gesehen, nach sehr kurzer Zeit sei es dann aber schon zu einer Explosion gekommen. Es habe geblitzt und anschließend sei im Auto Rauch zu sehen gewesen. In dem Moment habe er auch eine dunkel gekleidete Person etwa 8 Meter vom Auto entfernt Richtung Weißeritz wegrennen sehen.

Aufgrund der Explosion habe er geschlussfolgert, dass das Leuchten die brennende Lunte gewesen sein müsse. Das zweite Knallen sei vermutlich beim Einschlagen eines Autofensters entstanden, gesehen habe er diese aber nicht. M. erklärt, dass er sofort einen Böller aus Tschechien vermutet habe. Sein Sohn habe nach der Explosion gefragt, ob er nicht bei Richter klingeln soll. Er habe daraufhin geantwortet: „Dann musste das mal machen.“ Die Polizei habe M. nicht verständigt, weil dann klar gewesen sei, dass das der Geschädigte bereits selbst übernommen hat. Überrascht habe ihn der Anschlag nicht, erläutert der Zeuge. Seine Meinung sei: „Wer Wind säht, wird Sturm ernten“ und er verweist auf ein Facebookposting und eine Äußerung Richters in der Lokalpresse.

Im Anschluss an die Befragung stellt das Gericht den Angeklagten Patrick F. und Justin S. noch die Frage, ob zum Monatswechsel Oktober-November 2015 noch etwas hinsichtlich des Stadtrats Richter geplant gewesen sei. Patrick F. antwortet: „Eventuell das Auto nochmal“. Aber ansonsten würde ihm auf die Schnelle nichts einfallen, zumindest nichts Konkretes. Auch Justin S. gibt an, dass ihm da „nichts mehr bekannt“ sei. Zur Frage, ob Maria K. doch bei den Sprengversuchen dabei gewesen sei, antwortet Patrick F., dass er das nicht ausschließen könne. Er könne es aber auch nicht mehr erinnern. Damit endet der 49. Verhandlungstag.

Bericht aus Sicht der Nebenklage und fortlaufender Pressespiegel

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Piraten loben Aufwertung von Monatskarten

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Wie der Dresdner Kreisverband der Piraten am Donnerstag bekannt gab, können Besitzerinnen und Besitzer von Abo-Monatskarten ab dem 1. August 2018 auch an Wochentagen von 18 Uhr an weitere Personen kostenfrei mitfahren lassen. Die seit geraumer Zeit bereits am Wochenende gültige Regelung erlaubt damit künftig die Fahrt mit bis zu vier Kindern. Die Änderung wurde auf einer öffentlichen Verbandsversammlung des Zweckverbandes Ver­kehrs­ver­bund Oberelbe (ZVOE) in Weinböhla beschlossen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Dresdner Piraten, Steve König, begrüßte die von den Mitgliedern des ZVOE am Mittwochabend getroffene Entscheidung als „wichtigen Schritt“, um vor allem Familien vom öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu überzeugen und die Attraktivität der Monatskarte zu erhöhen. Zugleich verwies König vor dem Hintergrund einer zukunftsträchtigen innerstädtischen Infrastruktur noch einmal auf eine ältere Forderung seiner Partei nach einem „umlagefinanzierten, fahrscheinlosen ÖPNV“.


Planungen für den Bau der Gedenkstätte in Lety können beginnen

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Während hierzulande angesichts eines kaum zu übersehenden gesellschaftlichen Rechtsrucks das Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus immer weiter in den Hintergrund gedrängt wird, wurde im benachbarten Tschechien von staatlicher Seite im vergangenen Monat das Gelände einer Schweinemastanlage gekauft, um dort im nächsten Frühjahr mit dem Bau einer Gedenkstätte zu beginnen. Damit soll in Zukunft an jene Menschen erinnert werden, die an gleicher Stelle von 1939 bis 1943 unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert und zur Arbeit gezwungen worden waren. Ein großer Teil der im Konzentrationslager Lety ermordeten oder später in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportierten Menschen waren Sinti und Roma.

Nachdem sich in der Vergangenheit bei den jährlichen Gedenkveranstaltungen verschiedene Initiativen und Einzelpersonen vor Ort für ein würdevolles und angemessenes Gedenken eingesetzt hatten und bereits im August eine Einigung mit den Betreibern der in den 1970er Jahren errichteten Schweinemastanlage erreicht werden konnte, hatte wenige Wochen später auch das tschechische Parlament dem Kauf zugestimmt. Ende November unterzeichnete schließlich die Leiterin des Museums für Roma-Kultur in Brno, Jana Horváthová, im Namen der Regierung den Kaufvertrag und kündigte an, bei der Gestaltung der Anlage neben Fachleuten auch die Kinder und Enkel der letzten Überlebenden mit einzubeziehen. Zugleich rief sie dazu auf, angesichts eigener begrenzter Mittel die Finanzierung des Projektes sicherzustellen.

Weiterer Artikel: Roma-Gedenkstätte ersetzt Schweinemast

Hunderte Menschen bei Protest gegen Einstellung des Verfahrens im Fall Oury Jalloh

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Am Samstag, 2. Dezember 2017 haben etwa 400 Menschen in Halle gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens und für die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh demonstriert (Fotos). Der aus Sierra Leone stammende Geflüchtete war am 7. Januar 2005 an Händen und Füßen gefesselt auf einer feuerfesten Matratze in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt. Die Todesumstände waren nie Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Der Dienstgruppenleiter war nach anfänglichem Freispruch in einem Revisionsprozess nur deswegen wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er den ausgelösten Feueralarm ignoriert hatte und Oury Jalloh keine Hilfe zukommen ließ. Eine Fremdtötung oder Mordtat wurde hingegen nie untersucht. Stattdessen gingen die ermittelnden Behörden bereits zu Beginn der Ermittlungen von einer Selbsttötung Oury Jallohs aus. Mit einem bei seiner Ingewahrsamnahme angeblich übersehenen Feuerzeug, das auf keinem Tatortfoto zu finden ist und nachweislich erst später den Asservaten hinzugefügt wurde, soll sich Oury Jalloh selbst angezündet haben. Weitere Unzulänglichkeiten der Ermittlungspraxis und Vertuschungsversuche wurden bereits in einem ersten Prozess gegen die zuständigen Polizeibeamten offenbar, der jedoch mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen endete.

Dank der jahrelangen Recherche und des politischen und juristischen Drucks der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ kam es im April 2014 zu einem erstmaligen Ermittlungsverfahren zur Klärung der Todesursache. Ein seitens der Initiative beauftragtes erstes Brandgutachten hatte schon 2013 erhebliche Zweifel an der Selbstentzündungsthese geweckt. Die ebenfalls von der Initiative finanzierte zweite Obduktion des Leichnams förderte überdies schwere Verletzungen zutage, wie ein gebrochenes Nasenbein und Verletzungen des Mittelohrs, die eindeutig nicht vom Brand stammen konnten. Außerdem waren kaum Rußpartikel in der Lunge oder Stresshormone im Körper gefunden worden, was darauf schließen ließ, dass Oury Jalloh bereits bewusstlos war, als das Feuer ausbrach.

Wie aus den Ermittlungsakten hervorgeht, die jüngst dem ARD Magazin Monitor zugespielt wurden, ging die Dessauer Staatsanwaltschaft zuletzt nicht länger von einer Selbstverbrennung aus; eine These, die sie zwölf Jahre lang vehement verteidigt hatte. Ein neuerlicher Brandversuch im Jahr 2016 und dessen Auswertung durch verschiedene Gutachter kam zu dem Schluss, dass der Einsatz von Brandbeschleuniger und die Beteiligung weiterer Personen an der Tötung mehr als wahrscheinlich sind. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Dessau wandte sich daraufhin im April diesen Jahres an die Bundesanwaltschaft, die die Annahme des Falls jedoch ablehnte und an die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen-Anhalt zurück verwies. Diese zog die weitere Ermittlung aus Dessau ab und übergab stattdessen an Halle. Ohne weitere Untersuchungsergebnisse hat die Staatsanwaltschaft Halle nun das Ermittlungsverfahren eingestellt, angeblich hätten sich „keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung“ ergeben. Eine daraufhin von der Fraktion Die Linke im Magdeburger Landtag geforderte Akteneinsicht wurde von der Regierungskoalition zunächst abgelehnt. Inzwischen fordern auch Stimmen des Regierungslagers größere Transparenz und setzen ihre eigene Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) unter Druck, die weiterhin an einer Geheimhaltung festhält. Inzwischen wurde bekannt, dass der Landtag nun doch Akteneinsicht erhält.

Dieser Skandal, die fehlende Transparenz und der mangelnde Aufklärungswille seitens der Behörden ist es, was das breite Bündnis aus Jurist*innen, Studierenden, antifaschistischen und antirassistischen Gruppen auf ihrer Demonstration in Halle beklagte. Unter dem Motto: „Oury Jalloh – Aufklärung jetzt! Gegen Polizeigewalt und institutionellen Rassismus!“ versammelten sich mehrere hundert Menschen am Steintor und zogen durch die weihnachtlich dekorierte Innenstadt Halles. Mit Sprechchören wie: „Oury Jalloh das war Mord – Aufklärung jetzt sofort!“, Transparenten und Redebeiträgen wurde auf die jahrelangen skandalösen Zustände der Dessauer Polizei und Sachsen-Anhalts Justiz aufmerksam gemacht. Immer wieder wurde der Ruf nach einem Ermittlungsausschuss im Landtag laut sowie nach der Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens. Letzteres fordert auch die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh in einer Petition, die mittlerweile fast 100.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner gefunden hat.

Die Demonstration in Halle bildet allerdings nur den Auftakt zur jährlichen Gedenkdemonstration am Todestag Oury Jallohs in Dessau. Für den 7. Januar 2018 ruft die Initiative wie jedes Jahr zum Protest vor Staatsanwaltschaft und Polizeistation auf. Aufgrund der jüngsten Ereignisse und der Tatsache, dass die Demonstration diesmal auf einen Sonntag fällt, ist mit einer breiteren Beteiligung zu rechnen. Auch von Dresden aus wird zu der Demonstration in Dessau mobilisiert. Die gruppe polar, Teil der lokalen Föderation critique’n’act, hat inzwischen einen eigenen Aufruf veröffentlicht und alle interessierten Menschen zu einer Mobilisierungsveranstaltung am 20. Dezember um 20 Uhr in das AZ Conni eingeladen.

Eine Mauer gegen den Faschismus

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Eine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten hat am Mittwochabend im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“ (Nika) dem Dresdner Büro von „EinProzent“ in der Lingnerallee einen Besuch abgestattet und dabei die Eingangstür symbolisch zugemauert. Damit sollte dem erst 2016 im Zuge der rassistischen Mobilisierungen gegründeten Verein deutlich gemacht werden, dass ihr Treiben nicht unbeobachtet bleibt. In den zurückliegenden Monaten hatte der Verein im Stadtgebiet immer wieder medial kolportierte völkisch-rassistische Aktionen durchgeführt und dabei auf rechte Strukturen zurückgegriffen.

Nach Angaben der Gruppe versteht sich der Verein als „Lobbyorganisation für Heimatliebende“, welche einer vermeintlich unterdrückten Mehrheitsgesellschaft eine Stimme geben will. Der Anspruch ist dabei nicht nur eine weitere Vernetzung, sondern auch die finanzielle und logistische Unterstützung extrem rechter Aktionen und Strukturen, darunter bspw. der Identitären Bewegung (IB), PEGIDA und der Alternative für Deutschland (AfD). So wurde in der Vergangenheit bspw. die Kampagne „Defend Europe“ finanziell und logistisch unterstützt, bei der die IB Rettungsaktionen im Mittelmeer verhindern wollte.

Außerdem unterstützte „EinProzent“ die IB beim Kauf einer Immobilie in Halle nach dem Vorbild der neofaschistischen CasaPound in Italien. Neben dem Büro des AfD-Bundestagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider sind in dem Gebäude auch Räumlichkeiten für die IB bzw. dessen Hallenser Ableger Kontrakultur. Hinter dem Verein stehen neurechte Verleger wie Götz Kubitschek und Philip Stein ebenso, wie der Mitbegründer und Chefredakteur des Compact-Magazins, Jürgen Elsässer. Das Ziel hinter Projekten wie dem Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße ist klar: Einschüchterung und Provokation. Erst kürzlich hatten zwei Männer aus dem Haus heraus Polizeibeamte angegriffen und verletzt.

Sächsische Justiz erlaubt den Verkauf von Galgen für Merkel und Gabriel

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Im Erzgebirge hat ein Mann Nachbildungen des Galgens, der auf einer Pegida-Demonstration zu sehen war, zum Kauf angeboten. Die Staatsanwalschaft Chemnitz hat daran nichts auszusetzen: den Tatbestand der Volksverhetzung oder Aufforderung zu einer Straftat sieht sie nicht gegeben.

Quelle: Süddeutsche Zeitung (05.12.2017)

Polizei durchsucht Dresdner Fanprojekt

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Zeitgleich zu den bundesweiten Razzien wegen der Ereignisse anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg, kam es zu einer ganzen Reihe von Durchsuchungen, die sich gegen insgesamt 28 Fußballanhänger der SG Dynamo Dresden richteten. Als Grund für die Durchsuchungen gab die Polizei mehrere Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Sprengstoffgesetz an. Neben Objekten und Wohnungen in Sachsen, Brandenburg, Baden-Württemberg und der Schweiz war dabei auch das sozialpädagogische Fanprojekt in Dresden Ziel der Maßnahmen. Ein Fußballfan sitzt seit vergangener Woche in Untersuchungshaft.

Die Liste der beschlagnahmten Gegenstände fiel allerdings wenig überraschend aus. Neben Smartphones, Computern, Spielkonsolen und Speichermedien wurde bei den Beschuldigten auch jede Menge Pyrotechnik gefunden. Selbst ein Fahrzeug, welches dem Fanmarsch vorausgefahren war, musste knapp sechs Monate nach den Ereignissen als Beweismittel herhalten. Drei Staatsanwälte sowie insgesamt 370 Einsatzkräfte des Polizei Sachsen und des Polizeipräsidiums Karlsruhe waren bei der mehrstündigen Aktion im Einsatz. Als unmittelbare Reaktion auf das Spiel hatte die Polizei in Karlsruhe die Sonderkommission „Dynamo“ gegründet. Bereits im Februar 2005 war es beim Gastspiel von Dynamo in Karlsruhe zu Ausschreitungen aus dem Dresdner Block heraus gekommen.

Den Beschuldigten wird vorgeworfen, vor dem Auswärtsspiel beim Karlsruher SC einen Fanmarsch organisiert zu haben, bei dem 15 der eingesetzten Beamtinnen und Beamten sowie 21 Ordnungskräfte am Stadioneingang verletzt worden waren. Im vorletzten Spiel der vergangenen Zweitliga-Saison waren etwa 1.500 Fans der Schwarz-Gelben in einheitlichem Militäroutfit vom Gästeparkplatz bis zum Karlsruher Wildparkstadion gelaufen. Auf dem Weg dahin war immer wieder Pyrotechnik gezündet und auf die Polizei geworfen worden. Etliche Beamtinnen und Beamte hätten dabei nach Polizeiangaben Knall-Traumata erlitten, konnten ihren Dienst jedoch fortsetzen, lediglich ein Beamter war beim Verladen seines Polizeipferdes schwer verletzt worden.

Das Dresdner Fanprojekt kritisierte die Durchsuchungen in einer eigenen Stellungnahme als „Vertrauensverlust“ und wertete das polizeiliche Vorgehen als „Angriff“ auf ihre Arbeit. Aus diesem Grund will das Dresdner Fanprojekt bisherige Arbeitsweisen gewissenhaft überprüfen. Zugleich kündigten sie nicht nur eine juristische Prüfung über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen, sondern auch eine vollumfängliche Unterstützung der Beschuldigten an. Anders als die Polizei, die im Nachgang behauptete, die Büroräume nicht durchsucht zu haben, sei dies nach Angaben des Fanprojekts nur auf Grund des „massiven Protests“ von Seiten der Geschäftsführung nicht passiert.

Der Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS), Michael Gabriel, sprach in einem Interview mit dem Fußballmagazin 11 Freunde angesichts der jüngsten polizeilichen Maßnahmen gegen Fußballfans von einer „besorgniserregenden“ Tendenz, auf polizeilicher Ebene den nach den Ereignissen von Karlsruhe begonnenen Dialog zwischen den Fußballfanszenen mit dem DFB und der DFL zu „torpedieren“. Kritik kam auch vom innenpolitischen Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, der „Emittlungen mit Augenmaß“ forderte und die Durchsuchungen zugleich als „Bärendienst“ für das besondere Vertrauensverhältnis von Sozialpädagogen und Fußballfans bezeichnete.

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